.:  Der Landgänger  :.


Ich war dann auch mal weg ...

Auf der Via Francigena von Lausanne nach Rom


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Prolog, Lausanne - Grand St. Bernard: Seite 2
Grand St. Bernard - Ivrea: Seite 3
    Ivrea - Pavia: Seite 4    
Pavia - Passo Cisa: Seite 5
Passo Cisa - Lucca: Seite 6
Lucca - Siena: Seite 7
Siena - Montefiascone: Seite 8
Montefiascone - Rom: Seite 9
Nachgedanken: Seite 10

Vorwort

Meine Pilgerwanderung ist vorüber. Fünfzig Tage trugen mich meine Beine von Lausanne nach Rom und nun hat mich mein Alltag wieder. Ich sitze vor meinem Computer und versuche einen Bericht über das Erlebte zu verfassen. Doch es fällt mir schwer, die passende Worte zu finden, so viel war geschehen, so viele Eindrücke habe ich aufgenommen.
Zwei Länder erlebte ich aus der Perspektive des Fußwanderers und lernte die ganz normalen Menschen dort kennen. Ich traf etliche Mitpilger, verbrachte Zeit mit ihnen und wanderte manchmal mit ihnen. Wir trennten uns, fanden uns oft wieder und wurden so zu einer kleinen Gemeinschaft von Gefährten mit dem selben Ziel. Mit einigen feierte ich dann die Ankunft in Rom und alle fühlten wir ein wenig Trauer, als wir uns schließlich endgültig trennten.

Die Wanderung nach Rom ist für mich ein unvergleichliches Erlebnis. Alles, was ich mir zuvor davon erhoffte, traf in einem solchen Übermaß ein, dass es mich immer noch staunen lässt und ich war, wie mein holländischer Freund Gerben so schön einige Male sagte, "a lucky man".
Ich lernte viele nette und interessante Menschen kennen ohne eine wirklich schlechte Erfahrung machen zu müssen, ich durchwanderte wunderschöne Landschaften, verletzte mich nicht ernsthaft oder wurde krank, mir schien fast immer die helle Sonne des Südens und ich hatte zusammengenommen nur ca. zwei Tage Regen in fünfzig Tagen!

Ich habe mich entschlossen meinen Bericht in Form einer Art Tagebuch zu schreiben, für jeden Tag einige Zeilen und vor allem ein paar Bilder. Ich hoffe, dass alles ein wenig informativ und vielleicht auch unterhaltsam ist.

Vielen Dank an Laura, Aurélie, Marijke, Geri, Gerben, Wiebe, und die Münsteraner, die mir ihre Bilder für diesen Bericht zur Verfügung gestellt haben.

Lübeck im Oktober 2016

31.08.2015: Anreise Lausanne


Die Deutsche Bummelbahn - kurz DB - hatte es mal wieder geschafft! Der ICE nach Basel rollte mit einer halben Stunde Verspätung in Hamburg Hauptbahnhof ein. Wie war so etwas möglich auf der kurzen Strecke von Hamburg Altona zum Hauptbahnhof?
Diese Verspätung führte schließlich dazu, dass in Basel gleich hinter der Grenze Endstation war. Der Zug konnte nicht mehr durch die Stadt geführt werden. Dies wiederum führte dazu, dass ich den erstklassigen Sevice der Schweizer Bahn kennenlernen durfte. Als ich am Infoschalter wegen der Weiterfahrt nach Lausanne fragte, wurde mir freundlich mitgeteilt, dass man schon auf die Passagiere des deutschen Bummelbahnzuges warte. Ich war sprachlos. Eine Minute später hatte ich alles Erforderliche für meine Weiterfahrt nach Lausanne und ein paar weitere Minuten später rollte ich in einem blitzblanken Zug der SBB gen Lausanne.
Dort angekommen machte ich mich auf dem Weg zum Lausanne Guesthouse. Dies war, da nahe am Hauptbahnhof liegend, recht schnell erreicht - und recht schnell auch wieder verlassen. Es ist unclever, sich in einem fremden Land mit fremder Währung ohne eben diese Währung zu bewegen.  Also zurück zum Hauptbahnhof, am Bancomat Bares besorgt und zurück ins Guesthouse. Dann war einchecken problemlos.

Das Guesthouse ist wirklich zu empfehlen. Es ist preiswert, sauber und liegt günstig in der Nähe des Hauptbahnhofs. Eine typische Unterkunft für Backpacker, jedoch m.E. für den längeren Aufenthalt eher nicht geeignet. Eine gut eingerichtete Küche hilft in der superteuren Schweiz das Budget zu schonen und auch ein gemütlicher Aufenthaltsraum mit WiFi steht zur Verfügung.

Ich fühlte mich wohl und so ging ein langer Reisetag gut zu Ende. In mir war Erleichterung und Freude, nun endlich am Startort meiner Wanderung zu sein und dass es tatsächlich losgehen konnte. Es gab aber auch ein leicht mulmiges Gefühl, denn eine lange Reise lag vor mir und was würde mich wohl alles erwarten, welche Unwägbarkeiten und vielleicht sogar Gefahren würde es geben? Würde ich es schaffen? Ich wußte, dass ganz sicher nicht alles reibungslos verlaufen würde, aber andererseits spürte ich eine starke Zuversicht, mit allem fertig werden zu können.
Mit all diesen Gedanken im Kopf schaute ich noch ein wenig vom Balkon über die Stadt und den Genfer See und ging dann zu Bett.

DSC08668_800.JPG Die Zimmer des Guesthouse lagen zur Seeseite hin und hatten meist Balkon. Von dort schaute ich über die Stadtbereiche südlich der Bahnlinie bis hin zum See. Hier der Blick nach Westen zum See hin. Das Zimmer war mit Doppelstockbetten ausgestattet und enthielt außer kleineren Ablagen und zwei Stühlen keinerlei weitere Möbel. Auf dem Flur gabs große Schließfächer fürs Gepäck. Alles war sehr sauber.
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Der Aufenthaltsraum im Erdgeschoss war recht gemütlich eingerichtet und mit WiFi ausgestattet. Gleich nebenan gabs eine gut ausgestattete Küche mit großem Kühlschrank. Mir gefiel das Guesthouse recht gut. Es soll im teuren Lausanne eine preiswerte und gleichzeitig ordentliche Möglichkeit zur  Übernachtung bereitstellen und diesen Zweck erfüllt es sehr gut. Für alle, die nur einen Übernachtungsplatz suchen eine echte Empfehlung!

                                                                                     

Tag 1 - 01.09.2015: Lausanne - La Tour-de-Peilz (Camping La Maladaire)


Am frühen Morgen noch einen Kaffee in der Küche gebraut, etwas gegessen und dann ging sie endlich los, meine lange Wanderung nach Rom. Es war warm und so verließ ich das Guesthouse leicht gekleidet und machte mich auf den Weg hinunter zum See. Rund 30 Kilometer lagen heute vor mir und da ich nicht aus religiösen Gründen pilgerte, verzichtete ich auf den Umweg zur Kathedrale hinauf.
Ich ging entlang der U-Bahnlinie zum See hinunter, passierte ein Gewirr von Gassen, Treppen, Plätzen und Höfen. Und ganz plötzlich war die Sicht frei und  die riesige Fläche des Sees lag vor mir - ich war endlich auf der Via Francigena. Vom fernen Canterbury kommend führte sie hier am Seeufer weiter bis Rom. Was für ein Moment! Jetzt wurde es ernst und diesem Weg wollte ich nun bis Rom folgen, wie Pilger es schon seit hunderten  Jahren vor mir taten!
Auf der chicen, kilometerlangen Promenade wanderte ich am reichen Lausanne vorbei, am Olympia-HQ und erreichte schließlich die Stadtgrenze. Nun führte der Weg auf der Mauerkrone der Uferbefestigung aus Beton weiter. Es war ein abwechselungsreiches Laufen hier und es machte Spass.
Irgendwo bei Villette bog der Weg dann mit einem recht heftigen Aufstieg (empfand ich zu dem Zeitpunkt jedenfalls so - unwissend, was noch kommen würde) ins Landesinnere und in die Weinberge ab. Durch die ging es nun Kilometer auf Kilometer sanft auf und ab. Zuweilen in einiger Höhe über dem See und immer auf den endlosen Wirtschaftswegen aus Beton. Immer wieder boten sich mir herrliche Ausblicke auf den See und die Weinberge an seinem Ufer. Der der Beton marterte mir der Zeit Füsse und Beine und ich hatte mich auch noch nicht eingelaufen. Bei starker Sonneneinstrahlung und Hitze mußte dieser Wegabschnitt, vor allem wegen der oftmals hohen Stützmauern an den Seitn ein richtiggehender Backofen sein! Ich aber lief im immer heftiger wehenden warmen Wind und hatte derlei Probleme nicht.   
Immer wieder passierte ich malerisch gelegene Weingüter und durchquerte die kleinen Dörfer und Städchen am Weg. An den Weinstöcken hingen verlockend pralle Trauben, aber ich probierte nur ein paar Beeren. Am Nachmittag erreichte ich nach einem weiteren heftigen Aufstieg St. Saphorin und kurz darauf Vevey. Meine Oberschenkel brannten wie Feuer. Langsam war ich schon rechtschaffend müde. Von der Wärme des Morgens war auch nichts mehr geblieben. Der Wind blies inzwischen sehr frisch und zog mir die Wärme aus dem Körper.

Hinter La Tour-de-Peilz übersah ich dann fast ein kleines Schild an der Straße. "Camping La Maladaire", endlich. Ein kleiner Weg führte schräg hinunter an den See und dann war ich da. Der Platz lag direkt am Seeufer, war einfach, ganz schweizuntypisch etwas provisorisch wirkend ausgestattet aber ideal für Wanderer und Radfahrer.
Das Zelt war schnell aufgebaut und die Routineaufgaben erledigt. Beim Abendessen lernte ich ein österreichisches Pärchen kennen. Sie waren mit Fahrrädern auf dem Weg nach Südfrankreich zur Hochzeit von Freunden.
Es hatte zu regnen begonnen und so verkroch ich mich bald in mein Zelt.
Die merkwürdig brennenden Oberschenkel rieb ich mit Tigerbalm ein und inspizierte dann meine Füsse. Unter beiden hatte ich mir unbemerkt dicke Blasen gelaufen. Ich hatte so eine Ahnung, dass die mich wohl noch länger beschäftigen würden, aber ich ahnte nicht, wie sehr.

Aus irgend einem Grund begann ich dann, die Erlebnisse des Tages aufzuschreiben. Ich hatte bewußt kein Heft oder dergleichen mitgenommen, da ich eigentlich OneNote auf meinem Smartphone nutzen wollte. Aber mir war mit einem Mal nach Schreiben und so beschrieb ich auf die Rückseiten meiner kopierten Swiss Topo Karten. Später schrieb ich auf allem, was verfügbar war und so entstand mein eigenartiges Loseblatt-Tagebuch. Ich habe es fast täglich geführt und immer diesen kleinen Rückblick auf den Tag genossen. Merkwürdig, denn auf meinen vielen anderen Wanderungen hatte ich abends einfach nie den Nerv dafür.
Der Regen prasselte aufs Zelt und irgendwann schlief ich erschöpft aber sehr zufrieden ein.
 
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Früher Morgen am Genfer See. Es war recht warm und die Wolken waren mir recht
DSC08691_800.JPG Keine Spur vom Schweizer Fernwanderweg 70, der ab hier identisch mit der Via Francigena ist. Ich lief einfach am Seeufer entlang Richtung Montreux.
DSC08692_800.JPG Im Bereich Lausanne macht das Geld Ferien und so kam ich in den Genuss eine kilometerlangen gepflegten Promenade.
DSC08709_800.JPG Als diese dann bei Cully endete ging es auf der Uferbefestigung weiter. Manchmal mussten dabei private Hafenbecken o.ä. passiert werden.
DSC08718_800.JPG Irgendwann verließ ich den See und es ging hinauf in die Weinberge.
DSC08719_800.JPG Es schien, als wären diese Betonwirtschaftswege Straßen in die Unendlichkeit. Bei Sonnenhitze wollte ich hier nicht wandern.
DSC08722_800.JPG Die Erntezeit war nahe und so hingen überall dicke Trauben an den Rebstöcken. Ich naschte nur ein paar Beeren. Sie waren vorzüglich.
DSC08729_800.JPG Auf dem See war eine emsige Flotte weißer Fähren unterwegs. Sie verbindet die Orte am Ufer miteinander. Es gab auch ganz moderne Schiffe, aber meine Lieblinge waren eindeutig die alten Schaufelraddampfer.
DSC08744_800.JPG Der Wind hatte mächtig aufgefrischt und so war nun oft ein richtiges Timing wichtig. Sonst gab es eine Dusche.
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Immer wieder herrliche Ausblicke auf den See und seine Ufer. Und manchmal musste ich ganz schön hoch hinauf.
DSC08754_800.JPG Am Weg liegen kleine, meist sehr malerische Weingüter.
DSC08760_800.JPG Einer der beiden fiesen Aufstiege des Tages. Später hatte ich ganz andere zu bewältigen, aber diesen hier am Anfang meiner Tour empfand ich als ziemlich schikanös.
DSC08764_800.JPG Die Ausschilderung der Via Francigena in der Schweiz. Sie schien mir nicht immer so perfekt wie oft gelobt. Aber wirkliche Probleme, den Weg zu finden, hatte ich nicht.
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Kunstwerk eines mächtigen Lebensmittelkonzerns, der sich gerade anschickt, die Süßwasserreserven dieser Welt zu fressen. Wie passend! Fast schon zynisch!
DSC08784_800.JPG Beinahe wäre ich daran vorbei gelaufen! Rund 10 CHF für eine Übernachtung - für Schweizer Verhältnisse ein absolutes Schnäppchen.
DSC08776_800.JPG Camping La Maladaire ist wirklich schön gelegen.

 

Tag 2 - 02.09.2015: La Tour-de-Peilz - Versvey


Der Regen der Nacht war vorbei und der Blick aus dem Zelt ließ einen schönen Tag erwarten. Ich fühlte mich gut. Auch meine Oberschenkel schmerzten nicht mehr. Tigerbalm sei Dank!
Beim Frühstück erschien dann auch der Platzbesitzer. Da am Abend niemand Geld haben wollte hatte ich mich schon über eine Gratisübernachtung gefreut. Na gut, die 10 CHF waren ja nun wirklich vollkommen in Ordnung. Für die Schweiz hatte ich extra mein HexHex mitgenommen, da mir normales Übernachten deutlich zu teuer schien und Pilgerunterkünfte rar waren. Ich schickte es später von Italien nach Hause. Die Mitnahme des Zeltes erwies sich noch als eine sehr gute Entscheidung.
Der Morgen war herrlich klar und rein und der See zeigte sich ganz zahm. Die Österreicher machten noch ein paar Fotos von mir und dann war ich wieder auf dem Weg. Das Stück von Clarens bis Villeneuve war an diesem strahlenden Morgen ein einziger schöner Spaziergang.
Beim Denkmal von Freddy Mercury hatte sich schon früh morgens eine größere Menschenmenge eingefunden, meist sehr junge Leute unter zwanzig. Wie gern hätte ich ich 1986 sein grandioses Konzert in Montreux gesehen hätte. Was für ein Künstler und Performer!
Etwas weiter erinnerte das Château de Chillon daran, dass diese heute so friedfertige Gegend zu früheren Zeiten wohl oft Begehrlichkeiten geweckt haben muss. Wer die Alpenübergänge hatte, der hatte Reichtum und Macht.

Auf dem Weg am See entlang merkte ich gar nicht, wie zügig die Kilometer flossen. In Villeneuve angekommen nahm ich dann auf einer Bank am See Abschied von diesem schönen See, der sich nun wieder von seiner südländischen Seite zeigte.
Der weitere Weg zum "Camping Clos de la George" ist nicht sonderlich erwähnenswert. Allerdings erlebte ich zunächst eine Überraschung. Von der Bahnstrecke kommend stieß ich zunächst auf den großen Campingplatz an der Hauptstraße und dachte, ich wäre schon da. Bis ich merkte, dass der richtige Platz auf der anderen Seite der Straße und etwas entfernt von dieser lag. Auch dieser Platz war mit 14 CHF vergleichsweise preiswert und bot alles, was ich brauchte.

Meine Blasen machten mit zunehmend Sorgen und insbesondere fürchtete ich eine Infektion. Daher versorgte ich die Füsse so gut wie möglich und beschloss, wenn möglich, die folgenden Tage meine Füsse ein wenig zu entlasten, damit der Heilprozess gefördert wird.
 
DSC08770_800.JPG Am Morgen hatte sich das Wetter wieder beruhigt und der See ...
DSC08772_800.JPG ... zeigte sich von seiner besten Seite.
DSC08782_800.JPG Ein paar Fotos noch ...
IMG-20150901-WA0004_800.jpeg ... und auf gings Richtung Montreux.
DSC08785_800.JPG Der Weg führte wieder direkt am Ufer entlang und ...
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... wurde immer schöner, je näher ich Montreux kam.
DSC08788_800.JPG Die alten Fähren faszinierten mich immer wieder.
DSC08790_800.JPG In Montreux konnte ich das Geld riechen - es stank tatsächlich nicht - und entsprechende Anwesen und Hotels reihen sich am Ufer. Doch hin und wieder fand ich noch Zeugen eines anderen Montreux. Wie z.B. dieses alte Holzhaus im Bäderstil.
DSC08791_800.JPG Und natürlich kam ich an seinem Denkmal nicht vorbei. Freddie, der Unvergleichliche! Er wohnte und arbeitete hier und gab auch Konzerte. Erstaunlich war für mich, dass er so viele Jahre nach seinem frühen Tod offenkundig ganz junge Fans hat.
DSC08800_800.JPG Das Postkartenmotiv schlechthin taucht bald hinter Montreux auf, das Château de Chillon.
DSC08812_800.JPG In Villeneuve hieß es Abschied nehmen vom Lac Leman und seine schönen Fährschiffen. Das nächste größere Wasser würde ich, wenn alles gut lief, erst nach vielen, vielen Tagen bei Sarzana wiedersehen.
DSC08816_800.JPG Nach einigen öden Kilometern an der Bahnstrecke kam der Zeltplatz in Sicht. Er liegt etwas abseits der Hauptstraße und sollte nicht mit dem direkt an der Hauptstraße verwechselt werden. Dort ist Zelten nicht möglich.


Tag 3 - 03.09.2015: Versvey - St. Maurice


Auf nicht so spannenden Wegen gings am nächsten Morgen zunächst nach Aigle. Ein hübsches altes Städtchen. Man bereitete gerade irgendeine Festivität vor und war dabei, eine riesige Fress- und Saufmeile aufzubauen. Ich sah also zu, dass ich weiter kam.
Der Weg zum Château und dann durch durch die Weinberge zu Le Plantour hinauf entschädigte mich allerdings. Bei Verchiex verließ ich den Pilgerweg und wanderte durch Verchiex über den Wirtschaftsweg nach Ollon. Eine gute Entscheidung, denn von diesem Weg hatte ich mehrfach einen tollen Blick über das Rhônetal. Außerdem war er nicht ganz so strapaziös für meine Füsse.
Irgendwann stieß ich wieder auf den Pilgerweg und folgte diesem zum Fluss hinunter. Es folgte ein endlos scheinender Weg meist an der Rhône entlang bis St. Maurice.
In St. Maurice erlebte ich eine böse Überraschung. Der Campingplatz "Camping du Rhône" bei Lavey-les-Bains existierte nicht mehr, bzw. nicht mehr für die Öffentlichkeit. Also machte ich mich mit hängendem Kopf und schmerzenden Füssen auf zum "Camping du Bois-Noir", der rund zweieinhalb Kilometer entfernt war. In einem Wagen mit laufendem Motor saß ein jüngerer, uniformierter Mann. Er sprach mich an. Wo ich denn hin wolle? Aha! - ob er er mich mitnehmen könne? Meine Füsse schrien "Jaaa!!!" und so stieg ich ein. Ich fragte ihn wegen seiner oliven Uniform, ob er beim Militär wäre. Nein, nein, er sei bei der Polizei, einer Spezialeinheit. Als ich ihm erzählte, das ich ein pensionierter Polizist sei, war er ganz aus dem Häuschen. Er hieß Michele und war ein total netter Kerl. Er setzte mich bei der Rezeption ab und forderte mich auf, auf keinen Fall fortzugehen. Er wäre in zehn Minuten wieder da! Ich versprach es. Nach zehn Minuten kam er wieder mit zwei Flaschen Wein in den Händen. Eine gab er den Betreibern des Platzes - er kannte sie wohl - mit der Aufforderung, mich ja gut zu behandeln und eine gab er mir. Es war eine Spezialabfüllung aus dem Weinberg, den sein Einheit betrieb. Ich war wirklich berührt und sagte ihm, dass ich die Flasche gar nicht transportieren könne. Das wisse er meinte er nur, aber es wäre ihm einfach wichtig, mir, einem Kollegen, diese Flasche zu schenken. Es ist sonderbar wie sich manchmal Dinge ganz unvermutet und ohne eigenes Zutun zum Guten wenden. Da kann man nichts mehr sagen. Michele, ich habe Dich und Deine Geste nicht vergessen! Es war irgendwie ein kleines Wunder.

"Camping du Bois-Noir" hatte ein modernes Servicehaus, das von außen wie eine Lagerhalle aussah. Und es gab WiFi. Die 20 CHF für die Übernachtung gingen in Ordnung. Mein Zelt bekam ich noch aufgebaut und ich kroch dann ziemlich fertig hinein. Nichts ging mehr, es reichte.

DSC08817_800.JPG Vom "Camping Clos de la George" gings zunächst mal wieder zur Bahn und an dieser entlang.
DSC08820_800.JPG Aigle, eigentlich ein hübsches Städchen - wenn sie dort nicht gerade ein großes Fest vorbereiten.
DSC08823_800.JPG Der Weg hinauf zum Château und durch die Weinberge ist malerisch.
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Bei Verchiex war ich vom Weg abgewichen und lief auf einem Wirtschaftsweg. Von dort hatte ich überraschend schöne Ausblicke ins Rhônetal.
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Auch der Weg nach Ollon hinein war recht schön.
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Von dort ging es dann über Villy an die Gryonne und an der entlang bis zur Rhône. Der Weg am Fluss entlang war eher eintönig.
DSC08828_800.JPG Nicht unbedingt spannend und ...
DSC08829_800.JPG ... die Füsse fanden es auch nicht gut. Diese Treter, eigentlich gut bewährt, waren die Ursache meines Übels.
DSC08830_800.JPG Biber at work. Dass es in der hier sehr schnell fließenden Rhône welche gibt hat mich überrascht.
DSC08833_800.JPG Michele, mein schweizer Lieblingspolizist, mit den Betreibern von "Camping du Bois-Noir". Er war zwar Angehöriger einer Spezialeinheit, aber ich durfte ihn trotzdem fotografieren.
DSC08834_800.JPG Und hier die Spezialabfüllung der Spezialeinheit. Den Wein überließ ich später schweren Herzens den Platzbetreibern. Seufz ...
   

Tag 4 - 04.09.2015: St. Maurice - Martigny


Es war kühl, als ich am nächsten Morgen aufbrach. Die Bahnstation von Evionnaz war mein Ziel, denn von dort wollte ich mit der Bahn nach Martigny fahren, ein Füße-Ruhetag sozusagen. Zunächst ging es Schritt auf Schritt an der Hauptstraße entlang, was ich als einigermaßen öde empfand. Ich ahnte da noch nicht, dass ich auch in dieser Beziehung noch ganz andere Erfahrungen machen würde.

In Evionnaz lernte ich dann die Segnungen eines wohldurchdachten Programmes für Fahrkartenautomaten kennen. Selbst mir als Fremden und kaum der französischen Sprache mächtig gelang es ohne Probleme in kürzester Zeit eine Fahrkarte zu kaufen. Wenn ich da an unsere deutschen Fahrkartenautomaten denke. Deutsche Bummelbahn, hier kannst du lernen wie man es richtig macht!
In Martigny angekommen machte ich mich langsam auf den Weg zum "TCS Camping Martigny". Bei einem Park hielt ich an. Zunächst setzte ich mich auf eine Bank, dann legte ich mich in die Sonne auf den Rasen. Ich schlief sofort ein und lag dort wohl so zwei Stunden. Die Nacht zuvor war keine wirklich gute. Der auf öffentlichen Rasen pennende Backpacker muss wohl für manchen wackeren Schweizer eine Art Kulturschock gewesen sein. Die Schweiz ist superordentlich und auf meinem Weg bis hierher bin ich an keiner Schmuddelecke vorbeigekommen. Fast schon steril. Ich hatte manchmal den Eindruck, dass hier selbst die Kühe alle zwei Wochen zum Friseur geschickt werden.
Beim "TCS Camping Martigny" angekommen das übliche Prozedere: Anmelden, Zelt aufbauen, sich waschen, Klamotten waschen, Essen kochen, Essen, Ausruhen und Tagebuch schreiben, Schlafen. In Italien fielen später Zelt und Essen kochen weg, der Rest war eigentlich jeden Abend gleich.
Was mir wirklich auf den Geist ging war die tägliche Handwäsche der getragenen Klamotten. Ich wußte, dass es notwendig war, aber ich hasste es aus tiefstem Herzen. Ich wusch im Laufe der Reise mit allem, was ich vorfand: mein Shampoo, Handseife, Flüssigseife, Waschpulver, Spülmittel und einmal sogar Küchenreiniger. Es funktionierte alles und meine Merinoshirts von Decathlon tun es heute noch.
Aber es ging nicht nur mir so. Als unsere kleine Gemeinschaft, die sich zu diesem Zeitpunkt herausgebildet hatte, sehr viel später im Ostello in Medesano eine Waschmaschine zur Benutzung entdeckte brachen alle Dämme. Alles, was nur irgendwie müffelte oder schlicht stank wurde hineingestopft und gewaschen. Am nächsten Tag schnüffelte jeder mehr oder weniger verzückt an seinen frühlingsfrisch duftenden Socken oder so.

DSC08835_800.JPG Es führt ein Weg nach irgendwo ... die öden Kilometer vom Campingplatz nach Evionnaz.
DSC08836_800.JPG Schild der Verheißung. Nur noch 55 Kilometer bis zum Grand St. Bernard - und reichlich Höhenmeter.


Tag 5 - 05.09.2015: Martigny - Hospiz Grand San Bernard


Das sah nicht gut aus. Die morgentliche Inspektion der Füsse ergab zwei blutige Wunden, die bis aufs rote Fleisch gingen. Ich versorgte die Füsse und machte mich mit zusammengebissenen Zähnen auf den Weg.
Bis Sembrancher sollte es heute gehen, eine relativ kurze Etappe. Ich hatte mich entschlossen, die weniger strapaziöse Route durch das Tal zu nehmen. Der Campingplatz liegt fast am Wege und bald war ich wieder auf der Via Francigena.
Vorher ging es noch vorbei am Barry-Land, einer Art Museum für Bernhadiner-Hunde (wenn man im Hospiz auf dem Grand St. Bernard übernachtet, ist der Besuch des dortigen Originalmuseums kostenfrei und die Originalhunde gibt es dort auch live!) und dem römischen Amphitheater. Das schaute ich mir natürlich an. Es war noch recht gut erhalten. Wie mag es hier wohl gewesen sein, als Martigny noch eine römische Stadt war? Ich verliere mich leicht in solchen Träumereien.
Schließlich war ich auf dem Wanderweg. Er führte im stetigen auf und ab immer durch den Wald am Ufer der Dranse entlang, war abwechselungsreich und schön zu gehen.
Bei Bovernier überquerte der Weg den Fluss und führte steil zur Straße hinauf. Als ich etwas außer Atem oben ankam erlebte ich, was ich mein zweites schweizer Wunder nenne. Oben stand ein Pickup mit laufendem Motor, der Fahrer ein junger Mann. Als ich vorbei ging sprach er mich an, wie es Michele getan hatte. Als ich ihm sagte, dass ich nach Sembrancher wolle, bot er an, mich mitzunehmen. Ich muss ehrlich sagen, dass ich nicht lange nachdachte und so saß ich dann in seinem Auto. Wir kamen ins Gespräch. Er war mal Profi-Snowboarder und in der ganzen Welt herumgekommen. Dann hatte er sich in eine Frau aus der Gegend verliebt und war dort seßhaft gworden. Jetzt hatte er einen kleinen Sohn und seine Profi-Karriere an den Nagel gehängt. Zu gefährlich und er hätte ja nun Verantwortung für seine Familie. Etwas wehmütig klang das schon. Er heiße übrigens Max. Spontan entfuhr es mir: "Ah, Mad Max!" Es war mir peinlich, aber er lachte. So hätten ihn seine Freunde auf der Tour auch immer genannt. Als er erfuhr, dass ich zum Grand St. Bernard wollte, bot er mir an, mich bis Orsières mitzunehmen. Er wohne dort und dies sei auch sein Ziel. Wieder überlegte ich nur kurz und nahm unter dem nicht enden wollenden und dankbaren Applaus meiner geschundenen Füsse an.
In Orsières setzte er mich am Bahnhof (zgl. auch Busbahnhof) ab. Ich war ihm mehr als nur dankbar. Eigentlich wollte ich von hier nur bis Bourg-St.-Pierre fahren und dann am nächsten Tag zum Pass aufsteigen. Auf dem Fahrplan sah ich jedoch, dass der Bus bis zum Hospiz hinauf fuhr und so war der Entschluss schnell gefasst. Ich wollte hinauf fahren und dort einen Ruhetag machen. Dies würde vielleicht dem Heilungsprozess ein wenig förderlich sein.
Und so rollte ich dann um 13.55 Uhr (das war der letzte Bus hinauf) gen Pass und kam dort 14.48 Uhr an. Diese Busfahrt die Passtraße hinauf war schon spektakulär. Ich konnte fast den ganzen Weg sehen, den ich so gern hinauf gegangen wäre. Das bedauerte ich schon sehr. Hinter Bourg-St.-Pierre kamen wir in die Wolken und der Fahrer hupte bei jeder Kehre.
Oben angekommen war es grau und kalt, nur etwas über 0° Celsius. Nach kurzer Orientierung folgte ich einem unscheinbaren Schild zum "Hospice du Grand St Bernard" (wenn man zur "Auberge" geht landet man im deutlich teureren Hotel) und stand kurz darauf vor einer alten, schweren Holztür. Irgendwie war ich mir nicht sicher, richtig zu sein, doch dann ging ich hinein. Ich stand im nächsten Moment in Wärme und Licht, ging weiter durch eine Glastür und im Gang dort saß auf einem Stuhl eine Frau. Ich wollte fragen, ob ich denn hier richtig wäre, doch da war sie schon aufgesprungen und begrüßte mich ganz und gar herzlich und wortreich. Sie hieß Christa und ich fühlte mich sofort gut in diesem modern scheinenden und doch so alten Gemäuer. Zunächst einmal Rucksack abstellen - Widerstand war vollkommen zwecklos! - und dann in den Speise- und Empfangsraum.
Dort residierte Fredéric (eine Institution, wie ich später erfuhr) und der verordnete mir erst einmal Ankommen. Das hieß hinsetzen und von ihm schwungvoll eine große Schale heißen Tees eingeschenkt bekommen. Die fehlende Reservierung war kein Problem und zwei Nächte bleiben auch nicht. Ich konnte erst einmal ausruhen.
Beim leckeren Abendessen lernte ich dann die ersten anderen Pilger kennen. Da waren Marijke und Geri, ein Ehepaar aus Holland, das bis Parma gehen wollte; Wiebe und Gerben, zwei ältere Herren aus Holland, auf dem Weg nach Rom und Lena aus Schweden, die auch nach Rom wollte und die ersten Tage von ihrer Tochter begleitet wurde. Mit den Holländern kam ich schnell ins Gespräch und so verbrachten wir das Abendessen in angeregter Plauderei über unsere Pilgerwanderung, unsere Wünsche, Erwartungen, Hoffnungen die wir daran knüpften. Ich mochte sie alle gleich.
Eigenartigerweise pilgerte keiner von uns aus religiösen Motiven. Alle hatten wir eher persönliche Gründe, über die wir (noch) nicht sprachen. Zu diesem Zeitpunkt ahnte keiner von uns, dass wir zu einer kleinen Gemeinschaft von Gefährten werden sollten, die sich auf der Via Francigena immer wieder verlor und zusammenfand. Selbst die eher zurückhaltende Lena traf ich gegen Ende der Reise wieder.
Wir hatten beim Abendessen beschlossen, die heilige Messe zu besuchen, die an diesem Abend gelesen wurde. In der schöne Kirche setzten wir uns ganz hinten hin, doch damit war der Priester mit nicht einverstanden. Als wir ihm erklärten, dass wir keine Katholiken seien und auch auf keinen Fall stören wollten schaute er uns verwundert an. "Ihr seid Menschen und in den Augen Gottes genügt das!" Er wies uns schöne Plätze im alten Bereich der Kirche zu, dort, wo früher die Mönche saßen und wir waren sprachlos.
Die Messe war feierlich und eine Diakonin, sie hieß Anna Maria, sang wunderschön. Ich würde jedem Besucher des Hospizes, unabhängig von einer religiösen Ausrichtung, empfehlen, an der Messe teilzunehmen. Es tut wirklich gut - war anschließend unser aller Urteil.
Diese Nacht schlief ich tief und fest.

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Nicht gut, ...
DSC08838_800.JPG ... gar nicht gut! Sieht zwar nicht gewaltig aus, hat aber ein solides Schmerzpotential. Meine Sorge galt einer möglichen Infektion. Sie hätte das sichere Aus meiner Pilgerreise bedeutet.
DSC08839_800.JPG Barry-Land in Martigny. Für Pilger, die zum Pass hinauf laufen und dort im Hospiz übernachten nicht ...
DSC08841_800.JPG ... unbedingt ein Muss, denn dort oben gibt es das Original!
DSC08843_800.JPG Lohnenswert ist jedoch die Arena und sie liegt direkt am Weg, wenn man vom Zeltplatz kommt.
DSC08845_800.JPG Sie ist recht gut erhalten und wird ...
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... auch heute noch genutzt.
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Der Pass ist frei. Auch im Sommer nicht selbstverständlich
DSC08888_800.JPG Ankunft auf dem Pass des Großen St. Bernard. Rechts gehts zur "Auberge", links zum "Hospice". Als ich am Tag zuvor ankam war es düster und wolkenverhangen und mir fiel dieser Hinweis gar nicht auf.
DSC08889_800.JPG Hier gehts hinein ins Hospiz.
DSC08920_800.JPG Durch diese Tür ...
DSC08921_800.JPG ... und durch diese ...
DSC08922_800.JPG ... und hier wurde ich von Christa, einer "Volunteer", herzlich begrüßt. Für den Neuankömmling heißt es erst einmal Rucksack absetzen.
DSC06442_800.jpg Christa nahm mich richtiggehend unter ihre Fittiche und sorgte sich mich ganz liebenswert um mich. Ich habe ihr einiges zu verdanken.
Christa, wenn Du dies hier liest, nochmals Danke!!! Hättest Du mir nicht bei meinem Fußproblem geholfen, ob ich wohl bis Rom gekommen wäre?
DSC08924_800.JPG Dann ging es zur Anmeldung zu Bruder Fredéric. Er war Diakon und Chef dieses Bereichs. Viele Pilger haben ihn schon kennen und schätzen gelernt und er war so etwas wie eine Institution. Bei ihm gab es zunächst einmal eine schwungvoll eingeschenkte Schale heißen, köstlichen Tees mit Keksen und ...
DSC08873_800.JPG ... seine spezielle Signatur des Pilgerstempels.
DSC08864_800.JPG Erst dann, konnte ich meinen Schlafraum aufsuchen. Der war rustikal und holzgemütlich gestaltet.
DSC08866_800.JPG Ich hatte Glück. Unter der Dachschräge stand ein Einzelbett. Mein kleines Reich für die nächsten zwei Nächte.
DSC08857_800.JPG Drinnen war es gemütlich, draußen kalt. Um den Gefrierpunkt Anfang September. Ich war halt auf rund 2600 m Höhe.
DSC08860_800.JPG Abendessen. Das ich hier mit Menschen zusammensaß, die mich sogar bis Rom begleiten würden, ahnte ich diesen Abend nicht. Sie auch nicht!
 

Tag 6 - 06.09.2015: Ruhetag Hospiz Grand San Bernard


Was für ein Tag! Ich wurde von einem fast schon überirdisch schönen Chorgesang einiger Frauen geweckt, der richtiggehend durch Haus schwebte. Es war so schön, so zart, dass ich eine ganze Weile im Bett liegen blieb und diesen himmlischen Stimmen lauschte. Beim Frühstück berichteten alle, dass es ihnen ähnlich gegangen wäre. Man hätte denken können, wir wären schon einige Etagen höher. Was wunderschöne Stimmen und eine erstklassige Lautsprecheranlage alles bewirken können!
Nach dem Frühstück hieß es Abschied nehmen von den Bekanntschaften des letzten Abends. Wir alle dachten, dass wir uns kaum wiedersehen würden - und wir alle täuschten uns. Dann war ich allein.
Christa erkundigte sich wegen meiner Humpelei nach dem Zustand meiner Füsse und verfrachtete mich dann kurzerhand ins Sanitätszimmer. Dort schaute sich Schwester Anne Marie, die Sängerin in der Messe des Vorabends, mit gerunzelter Stirn meine Füsse an und versorgte sie schweigend und gründlich. Mit blütenweißen Verbänden an den Füssen startete ich in den Tag.

Was für ein Wetter. Das Thermometer zeigte nur knapp über null Grad aber es war sonnig und die Luft von atemberaubender Klarheit. Die Fernsicht war phantastisch. In Kilometern Entfernung waren Details noch scharf zu erkennen.
Ich humpelte ein wenig um das Hospiz herum und besucht dann das Museum im Gebäude der Auberge. Es war klein aber fein und bezog sich ganz und gar auf den Pass und seine Geschichte. Schon vor den Römern wurde er genutzt und diese hatten hier sogar eine kleine Tempelanlage errichtet und einen Fahrweg gebaut. Das Museum zeigte die Mühsal und die Gefahr von Passüberquerungen in früheren Zeiten aber auch, wie die Einrichtung des Hospizes diese ein wenig linderte.
Ein Spezialbereich ist der Bernhadinerzucht und der Geschichte dieser imposante Tiere gewidmet. Wer nach dem mühsamen Aufstieg noch Energie hat, der sollte sich dieses Museum auf keinen Fall entgehen lassen.
Ich verbrachte insgesamt einen geruhsamen Tag, plauderte noch ein wenig mit Christa und ihrem Mann. Zuversichtlich dachte ich an die vor mir liegenden Tage.
Am Abend hatte ich wieder Verbandstermin. Diesmal bei Cristina. Sie war gelernte Krankenschwester und arbeitete in der Auberge. Ihr Gesichtsausdruck war bedenklich und sie arbeitete lange an den Füssen. Dabei ließ ich einiges an Haut zurück. Sie riet mir, einen Arzt aufzusuchen und ich brummte nur ausweichend vage dazu. Schließlich waren beide Füße neu verbunden. Ich war ihr sehr, sehr dankbar. Humpelnd zog ich mich dann zum Schlafen zurück.

DSC08870_800.JPG Von Christa herbeigerufen verarztete mich Schwester Anne Marie. Sie hatte in der Messe am Abend zuvor wunderschön gesungen. Hier schwieg sie und verbrauchte dabei eine Menge antiseptischer Auflagen, Pflaster und Verbandszeug.
Schwester Anne Marie, Ihnen hier noch einmal ein großes Dankeschön.
DSC08868_800.JPG Abschied von Marijke und Geri, mit denen ich mich gleich gut verstand. Wir würden uns wohl nicht wiedersehen - dachten wir ...
DSC08918_800.JPG Das Wetter war großartig mit toller Sicht. Hier der Blick zur italienischen Seite.
DSC08879_800.JPG Direkt am Haus beginnt ...
DSC08882_800.JPG ... die großartige Berglandschaft.
DSC08890_800.JPG Wo die Römer waren darf ein Napoleon natürlich nicht fehlen.
DSC08893_800.JPG Diese Hunde sind schon beeindruckend und scheinbar bringt sie nichts aus der Ruhe.
DSC08894_800.JPG Bernhardiner-Rettungsequipment aus vergangener Zeit. Angeblich soll in dem Fäßchen kein Branntwein gewesen sein.
DSC08910_800.JPG Der Pass, wie er in römischer Zeit ausgesehen haben mag. Der kleine Tempel hinten war dem Jupiter geweiht und der Berg trug daher seinen Namen. Und das noch lange nach den Römern. Noch im Mittelalter hieß er Mont-Joux. Bis zur Zeit von Kaiser Claudius gab es nur einen Saumweg, danach sogar einen richtigen Fahrweg. Man kann, glaube ich, noch heute Spuren davon sehen.
DSC08899_800.JPG Ein römischer Meilenstein vom Pass.
DSC08902_800.JPG Fundstück aus dem Bereich der römischen Bebauung.
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Dienstbare Geister in der Küche.
DSC08927_800.JPG Cristina war eine ausgebildete Krankenschwester und sie setzte am Abend das gute Werk von Schwester Anne Marie fort. Ob sie die Hautfetzen abschneiden dürfe fragte sie und legte dann professionell los.
DSC08928_800.JPG Ja, ja, so was kommt, wenn man nicht die richtigen Socken und Schuhe trägt. Cristina jedenfalls hatte ernsthafte Zweifel, dass ich meine Wanderung fortsetzen könnte.
Cristina, auch Dir hier noch einmal ein gaaanz großes Dankeschön. Du hast sicherlich wesentlich dazu beigetragen, dass ich die Reise in Rom beenden konnte.



 
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  © Hartmut Henkel - erstellt: 31.10.2015