Ich war dann auch mal weg ...
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Auf der Via Francigena von Lausanne nach Rom
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Den
Großen St. Bernard hatte ich erreicht, wenn auch nicht ganz so, wie ich
es eigentlich vorgehabt hatte. Meine Füsse waren gut versorgt und ich
hatte mich ausruhen können. Insgesamt war ich recht zuversichtlich,
meinen Weg fortsetzen zu können. Mit den Schmerzen würde ich ich schon
klar kommen. Hatte ich doch die Erfahrung gemacht, dass diese immer nach der
ersten halben Stunde Weg deutlich erträglicher wurden.
Unter einem strahlenden, aber kalten Himmel brach ich also zum nächsten
großen Abschnitt meiner Reise auf und stieg ins Aostatal hinab und folgte diesem dann bis zu seinem Ende in der Po-Ebene.
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Tag 7,
07.09.2015: Hospiz Grand San Bernard - Etroubles
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Die Sonne strahlte, dass es eine Pracht war, aber es war kalt, sehr
kalt. Ich zog mich also Zwiebelschicht für Zwiebelschschicht warm an,
warf mir meinen Pilgersack auf den Rücken und ging hinaus. Nach
den ersten Metern warf ich noch einmal einen wehmütigen Blick zurück zu
diesem "letzten heimeligen Haus". Doch dann blickte ich nach vorn und
betrat kurz darauf entschlossen italienischen Boden.
Dort bog ich zum Denkmal des St. Bernard ab und ging über den
Bereich der alten römischen Bebauung. Ich meinte dort auch noch Teile
des alten römischen Fahrwegs zu sehen, der wohl hier aus dem Fels
heraus gehauen war. Und dann stand ich am Rand dieses Plateaus und
blickte hinab in die Tiefe des Tals. Die Passstraße schängelte sich
herunter und verlor sich in der Tiefe. Alles schien von diesem tiefen
Tal verschluckt zu werden.
Ich folgte dem markierten Pfad und begann den Abstieg. Es war ein
einziger Genuss bis zum Ende des Tages und bei dieser Witterung nicht
schwierig zu gehen. Schon nach kurzer Zeit hatte ich deutlich an Höhe
verloren. An den ersten Häusern nach dem Pass vorbei ging es tiefer und
tiefer hinab auf manchmal steilen Pfaden. Bald konnte ich den Anorak ausziehen,
in St. Rhemy folgt das Fleece. Selbst im Shirt wurde es mir bald warm.
Hoch am Hang erreiche ich irgendwann St. Oyen. Hier gab es zwei
Campingplätze. Doch sie lagen tief unten auf der Talsohle, für
pilgernde Backpacker nicht unbedingt erste Wahl. Der Weg war
abwechselungsreich und entspannt zu gehen und war jetzt eher ein
gemäßigter Wanderweg. Die Zeit verging wie im Fluge und dann, am frühen
Nachmittag erreichte ich den Campingplatz in Etroubles.
Der Mercateo (kleiner Supermarkt) 500 Meter vor dem Platz hatte leider
geschlossen, aber das Panificio (Brotbäckerei) direkt neben dem Platz
hatte geöffnet. Dort kaufte ich mir ein ordentliches Stück Pizza.
Fremde Länder, andere Sitten. Das Stück Pizza wurde meinem Wunsch gemäß
mit der Schere abgeschnitten und der Preis richtete sich nach dem
Gewicht. Jooo ...
"Camping Tunnel" ist wirklich eine Empfehlung. Der Platz ist liebevoll
und gestaltet und die Betreiber sind sehr freundlich und hilfsbereit.
Ich unterhielt mich am Abend ein wenig mit der Tochter des Hauses und auch mein
Fußmalheur kam zur Spache. In Aosta wäre Meinardi die richtige Adresse,
falls ich mir neue Schuhe kaufen wolle. Solche Tipps können Gold wert
sein. Das Ganze bekam ich dann auch gleich noch in einen Stadtplan
eingezeichnet. Geht es noch besser?
Beim Essen fand ich neben der Sitzbank eine kleine LED-Leuchte, die
wohl jemand verloren hatte. Ich nahm sie an mich. Was ich nicht wußte,
sie gehörte Gerben, der sie hier verloren
hatte.
Es war ein perfekter Tag. Das Wetter, der wunderschöne Abstieg ins Tal
und dann auch noch ein richtig toller Zeltplatz. Und meine Füsse hatten
auch gut mit gespielt.
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Entschlossen betrat ich die Passstraße und machte mich auf den Weg nach Italien, ...
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... dass ich kurze Zeit später erreichte. Bei den Häusern bog ich rechts ab und erreichte kurz darauf ...
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... das Denkmal von St. Bernard. |
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Bei dieser Sicht schien die phantastische Bergwelt ringsum
zum Greifen nahe. Alles war
klar und vollkommen
plastisch. Ich blieb eine Weile stehen und staunte.
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Noch
einmal der Blick zurück zum Hospiz. Ich war dankbar für die Zuwendung
und Hilfe, die ich dort erhielt. Es war ein Stück Geborgenheit.
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Ob
hier wohl der der römische Fahrweg verlief? Nahe dem Bereich mit
ehemaliger römischer Bebauung führte der Pfad durch diese Rinne. Sie
schien nicht natürlich entstanden zu sein und sah aus, wie aus
dem Fels gehauen. Na ja, vielleicht irrte ich mich ja auch ...
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Am Rand des kleinen Plateaus blickte ich hinab in die Tiefe des Tals. Die Passstraße veschwand dort.
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Die ersten Häuser nach dem Pass. Ein paar mal querte der Pfad die Passstraße.
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Tiefer und tiefer ging es hinab. In der Ferne die Straßenschlange.
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Der Pfad war teilweise steil und eng aber nicht wirklich schwierig. Hier schon nahe der Einfahrt des Tunnels.
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Aufmerksamkeit und Trittsicherheit waren jedoch trotzdem unbedingt geboten! |
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Und dann wurde es deutlich gemäßigter, eher ein Wanderweg.
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Das erste Dorf. Es wirkte wie ausgestorben. Bezüglich der Versorgung gab es hier, außer einem relativ teurem Restaurant, nichts.
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Weiter
ging es hinab. Inzwischen waren die Hosenbeine wieder abgezippt, Anorak
und Fleecejacke ausgezogen. Es war war heiß und ein kurzes Shirt reichte zum
Schwitzen.
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Wieder ein Dorf, wieder wie eine Geisterstadt. Diese Dörfer waren sehr malerisch und verwinkelt. Ich mochte sie.
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Langsam
fühle ich mich in Italien. Panificio, wie wunderbar das klingt - für
eine Bäckerei. In Panificios bekommt man in Italien Brot, Brötchen,
Pizza von Meter und meist auch Brioches. Das sind diese fluffigen
Croissants. Die gibt es pur, mit Zucker bestreut oder gefüllt mit
unterschiedlichen Cremes oder Marmeladen. Einfach köstlich und gibts in
fast jeder Bar zum Frühstück.
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"Camping Tunnel"
ist ein wirklich schöner, liebe- und sinnvoll gestalteter Platz in
Etroubles. Er liegt in günstiger Entfernung zum Pass und direkt am Weg.
Meine Empfehlung für die, die mit Zelt unterwegs sind.
Bei der Anmeldung erhielt ich einen Stadtplan von Aosta.
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Hier nur ein Gestaltungsdetail vom Platz.
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Tag 8,
08.09.2015: Etroubles - Aosta
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Das Wetter war weiter schön und so ging es am nächsten Morgen auf zum
Teil malerischen Wegen immer am Hang entlang weiter hinab. Schon kurz
hinter Etroubles überholten mich zwei Schwedinnen auf Wanderschaft.
Nach etwas Smalltalk zogen sie zügig weiter. Ich aber hatte Zeit.
Einige Zeit später hörte ich Schritte hinter mir. Ein stämmiger Mann
mit hochgepacktem Rucksack stampfte schwankend mit eigenartigen
Trippelschritten heran. Er wirkte düster und merkwürdig unpersönlich.
Ich wünschte "Guten Morgen" und fragte ob er auch Pilger sei. "Ja" und
er ging an mir vorbei. Woher er denn komme. "France" hörte ich ohne das
er sich umdrehte. Meine erste Begegnung mit einem anderen Pilgern auf
dem Weg hatte ich mir ja irgendwie etwas anders vorgestellt. Egal ...
Neben dem Weg rauschte dann später lange Zeit ein schmaler Kanal, in
dem klares Wasser nur so dahin schoss. Später hörte ich, dass diese Kanäle
zum uralten Wasserwirtschaftssystem des Tals gehören. Auch in
anderen Teilen des Aostatals stieß ich später auf sie. Ich empfand das am mir vorbeieilende, kühle Wasser
als recht angenehm.
Irgendwann am späten Vormittag entdeckte ich mitten auf dem Weg einen
zum Camper umgebauten Unimog mit deutschem Nummernschild. Daneben ein
Paar am Campingtisch beim Kaffeetrinken. Ich wünschte wieder "Guten
Morgen". Die beiden schauten überrascht und luden mich spontan ein. Der
Duft von Filterkaffee, richtigem deutschen Filterkaffee zupfte an
meinen Nasenschleimhäuten! Ich wurde förmlich willenlos, sie merkten es
auch und es war ihnen ein Vergnügen.
Wir plauderten eine Weile - sie kamen aus dem Ländle - , ich bekam
selbstgebackenes Brot, selbst produzierten Honig, Weintrauben und
Tomaten aus eigenem Anbau. Was für Köstlichkeiten! Nach einer Weile
gesellte sich eine weitere Pilgerin zu uns. Sie kam aus Korea und
konnte sich kaum verständlich machen. Trotzdem war es eine nette Runde.
Irgendwann zog sie weiter und kurz darauf brach auch ich auf, nicht
ohne großen und ehrlichen Dank für die Gastfreundschaft.
Hinter Gignot traf ich wieder auf die kleine Koreanerin, die mit wohl
weniger als 160 cm Größe fast hinter ihrem Riesenrucksack verschwand.
Den lupfte ich mal wärend einer Pause und dachte zunächst, das er am
Boden festgenagelt war, so schwer war das Teil. Wir gingen zusammen bis
Aosta. Am Marktplatz trennten sich unsere Wege und ich sah sie nie
wieder.
Durch die Hauptflaniermeile machte ich mich auf dem Weg zu Meinardi.
Der Verkäufer nickte nur wissend, als ich mein Problem schilderte und
die italienischen Scarpas, die er mir dann empfahl, bewiesen, dass er
seinen Job verstand. Ohne diese Schuhe wäre wohl bald Schluss gewesen.
Was denn mit den alten Schuhen sei, wollte er wissen. "Trash" sagte ich nur
und er lachte verstehend. Höflich, wie Italiener sind, wartete er mit
der Entsorgung bis ich fort war. Die Schuhe verströmten einen etwas
herben Geruch und er wollte wohl nicht, dass ich sah, wie er mit einer
Schaufel und zugekniffener Nase zu Werke ging.
Schon beim Hinausgehen merkte ich, wie die neuen Schuhe meinen Füssen
gut taten und so konnte ich recht unbeschwert die Schönheiten Aostas
anschauen. Die Stadt ist durchaus sehenswert und ich genoß mein erstes
Eis in Italien. Jetzt war ich im Süden angekommen. Der Himmel. war anders,
die Luft, die Pflanzen, die Menschen. Als Nordländer habe
ich dieses merkwürdige Empfinden jedes mal, wenn ich in Italien bin und
ich liebe es. Langsam schlenderte ich aus der Stadt heraus und
landete in dieser Hochstimmung prompt auf dem harten Boden der
Tatsachen. Die Pfarrei St. Anselmo am Stadtrand war geschlossen. Kein
Mucks dort und nichts war es mit meiner ersten Übernachtung in einer
Pilgerunterkunft.
Aber zum Glück hatte ich ja mein Zelt dabei und in der Nähe sollte ein
Zeltplatz sein, in nur einen Kilometer Entfernung, jedoch etliche -zig
Meter höher. Zuversichtlich machte ich mich also auf, nur um eine
dreiviertel Stunde später festzustellen, dass es an der angegebenen
Stelle zwar ein "Campeggio" aber keinen Zeltplatz gab. Ein
Übersetzungsfehler? Ich war jedenfals sauer und nach einem langen Tag
auch rechtschaffend platt. Ungewöhnliche Situationen fordern
ungewöhnliche Maßnahmen und so beschloß ich im nahegelegen Parco
Fontana wild zu zelten. Gesagt, getan. Ich wartete dort bis zur
Dämmerung und schlug schnell mein Zelt auf. Gute Nacht.
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Der Weg von Etroubles war einfach und schön.
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Eine
Besonderheit war dieser Kanal, der über viele Kilometer neben dem Weg
verlief. Diese Kanäle gehören zum Wasserwirtschaftssystem des Aostatals.
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Was
mich immer wieder faszinierte waren diese Dacheindeckungen aus massiven
Steinplatten. Sie sind eine Besonderheit der Gegend und man findet sie
weit ins Tal hinein.
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Mein erster Pilger auf dem Weg. Woran mußte er wohl tragen, dass er so mürrisch war.
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Deutscher
Filterkaffee und andere Köstlichkeiten aus dem Ländle. Die beiden waren
total nette Gastgeber. Die kleine Koreanerin war erstaunlich. Sie war
recht klein, sicher schon einiges über die sechzig und trug eine
wahnsinnig schweren Rucksack. Nach Aosta sah ich sie nicht wieder.
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Überall Zeichen einer ausgeprägten Volksfrömmigkeit, wie man sie in Gebirgsregionen oftmals findet.
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Irgendwo am Wege. Diese herrlichen Blicke ins Tal gab es des öfteren.
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In der Gegend bei Gignot. Irgendwo dort hinten liegt Aosta. Es war also noch ein Weilchen zu laufen ...
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... und vor allem noch einige hundert Meter abzusteigen. Dabei ging es teilweise unangenehm steil zu.
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Aosta war eine bedeutende römische Stadt und Spuren davon findet man reichlich. So dieses mächtige Tor mitten in der Stadt.
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Ein Bollwerk und ...
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... auch heute noch beeindruckend.
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Aosta wird von einem Ende zum anderen von einer Einkaufsmeile durchzogen. Das Bild täuscht denn es wimmelte von Passanten.
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Jaaaaaaaaaaa,
welche Wohltat! Meine neue Schuhe erwiesen sich als Glückskauf. Sie
trugen mich bis Rom und die Marke "Scarpa" ist mir jetzt ein Begriff.
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Eis am Stil aus der Eigenproduktion in allen Variationen. Ich zog allerdings die Köstlichkeiten einer Gelateria vor.
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Am östlichen Stadtausgang noch ein Monument aus alter Zeit. |
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Mein Lager im Parco Fontana. Das die Nacht keine erholsame sein würde ahnte ich nicht.
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Tag 9,
09.09.2015: Aosta - St. Vincent
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Ich hatte eine üble Nacht hinter mir. Zunächst konnte ich nicht gut
einschlafen, da ich am ganzen Körper mangels ausreichender abendlicher
Hygiene ein schweißigklebriges Gefühl hatte. Und dann wurde ich gegen 02.00 Uhr
von Geräuschen geweckt. Ganz in der Nähe veranstalteten zwei
Jugendliche irgendeine Nachtsession im Park. Sie hatten mich entdeckt
und beobachteten mich, kamen aber nicht näher. Mit meiner Nachtruhe war
es vorbei. Als es dämmerte packte ich gerädert meine Sachen und machte mich
auf den Weg ins Tal. Im McDonalds frühstückte ich erst einmal meinen
Frust weg. Was für eine besch....e Nacht!
Erst gegen halb zehn raffte ich mich auf und machte mich auf den Weg.
Auf heißen Teerstraßen ging
es nur hinauf und hinauf, hoch über das Tal. Diese endlose
Straßenlatscherei war
zwar ermüdend aber wenigstens funktionierten die neuen Schuhe wie
versprochen. Zumindest entschädigten mich immer wieder schöne Ausblicke
auf das Tal. Langsam verschwand Aosta in der Ferne. Am Castell Quart
vorbei kam ich schließlich nach Nus. In der dortigen Parrocchia gab es
keine Beherbergung von Pilgern (mehr). Also weiter. Ich lief und lief
und lief und irgenndwann kurz vor Chatillon bestieg ich an der
Hauptstraße
den Bus und fuhr bis St. Vincent. Meine Füsse hatten sich wieder
gemeldet. In St. Vincent fragte ich jemanden nach der "parotschia a
piazza della schiesa". Er sah mich ratlos an. Dann ging ihm ein Licht
auf: "Ahhh, parrokkia a piazza della kiäsa!" und zeigte mir den Weg.
Ich wollte im Boden versinken!
Dort angekommen hatte ich dann mein
einziges mieses Erlebnis der ganzen Wanderung. Es hieß:
"Einlaß im Oratorio erst ab 21.00 Uhr!" Ich glaubte mich verhört zu
haben und fragte noch einmal nach. Auch ein Anruf des Pfarrers im
Oratorio brachte kein anderes Ergebnis. Sie sollten keine
Übernachtungsplätze anbieten, wenn sie die Menschen derart behandeln! Diese Berufschristen sollten sich schämen! Vor dem
Hintergrund meiner weiteren meist guten Erfahrungen kirchlichen Pilgerünterkünften
kann ich heute nur sagen, dass dieser Verein eine Schande für alle
anderen war.
Tief gefrustet zog ich wieder zurück auf die Einkaufsstraße und
gönnte mir erst einmal meine erste italienische Pizza und mein erstes Birra
Moretti. Das kühlte meine Empörung ein wenig herunter und die Pizza war
ausgezeichnet, verfeinert mit olio piccante.
Also trottete ich humpelnd hinunter zum "Camping Paradise",
ich hatte ja ein Zelt, wie schön. Auf dem Weg konnte ich meine ersten
Feigen vom Baum essen. Der Platz war schön mit einer freundlichen
Betreiberin. Sie kam aus Rumänien und meinte nur zu meiner Geschichte:
"Ja, die Leute hier im Tal sind schon etwas speziell."
Trotz allem Ärger schlief ich hier gut. Mein HexHex war schon toll ...
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Hoch
über dem Tal gings am Hang entlang. Kein Pilger hätte das gemacht aber
diese Wegführung war wohl der engen Bebauung der Talsohle geschuldet.
Jedenfalls bescherte sie immer wieder schöne Ausblicke aufs Tal und
Aosta wurde kleiner ...
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... und kleiner.
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Gerade zu Beginn war öde Asphalttreterei angesagt ab es gab auch einige sehr schöne Passagen.
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An einigen malerischen Burgen ging es vorbei.
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Und immer wieder der Blick ins Tal und...
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... man sieht schon Erstaunliches, wie diesen Knast zum Beispiel.
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Meine
erste Pizza in Italien. Ein wenig Frustbewältigung nach meinem ersten
und letzten wirklich negativem Erlebnis auf der ganzen Reise.
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Tag 10, 10.09.2015: St. Vincent - Verres
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Am nächsten Morgen hatte ich mich wieder herunter gekühlt. Dank meines Zeltes
hatte ich letztlich kein Problem gehabt und so zog ich mit guter Laune und
entspannt weiter.
Auf dem Markt kaufte ich noch ein paar Trauben und dann tauchte ich
wieder ein in die Stille des Weges. Auch St. Vincent verschwand langsam und der
Pfad wand sich versteckt und manchmal lauschig und schattig am Hang entlang. Es wurde
heiß und ich füllte bei jeder Gelegenheit die Wasserflaschen nach.
In Montjovet führte der Weg direkt über den Platz zwischen Kirche und
Parrocchia. Unter einem schattigen Arkadengang gab es ein paar Bänke.
Da ich langsam vor Schweiß triefte ließ ich mich zu einer kleinen Pause
nieder.
Ein alter Herr kam auf mich zu und begrüßte mich freundlich. Es war der
Pfarrer
und er lud mich auf ein Glas Wein ein. Der Wein war kühl. Es
sei ein guter Tokajer aus Istrien erfuhr ich. Wir unterhielten uns ein
wenig. Etliche Pilger kämen hier durch, die meisten Deutsche, dann
Franzosen. Aber er könne überhaupt nicht
verstehen, warum die Pilger sich denn heute so mühsam durch die Hügel
quälten. Zu früheren Zeiten hätten Pilger doch immer den einfachsten Weg
im Tal genommen. Ein weiteres Glas lehnte ich dankend ab und machte
mich wieder auf
den Weg. Er sah mir nach und wirkte ein wenig einsam.
Der weitere Weg war zunächst sehr schön und interessant. Doch dann
kamen heftige Passagen, die ich nur mühsam überwinden konnte.
Ewige Steigungen und gefährliche Gefälle. Auch der Wein saß mir in den
Knochen. Bei Regen oder für etwas gehandicapte Menschen schienen mir
diese teilweise unwegsamen Wegstücke äußerst
gefährlich. Nach einigen wirklich tollen Aussichten ging es dann noch einmal richtig steil
und lang ins Tal hinunter. Ich hätte es schon in Montjovet tun sollen!
Es war eine Tortur! Der alte Weg im Tal wäre sicher die bessere Wahl gewesen.
Ab Toville dann endlich flaches Gelände. Kurz vor Verres traf ich
Stefano aus Brescia. Er war in Montjovet abgestiegen und
problemlos komfortabel auf dem alten Weg im Tal hergelaufen. Wir gingen gemeinsam zum Il Casello. Es lag
etwas versteckt neben dem Bahnhof.
Als wir eincheckten kamen plötzlich Marijke
und Geri durch die Tür. Ich konnte es nicht fassen und sie auch nicht.
Lautstarke Begrüßung, welche Freude. Es war ein so gutes Gefühl! Wir
kannten uns ja kaum doch der gemeinsame Weg schafft Verbundenheit. Dieses wunderbare Gefühl und die Freude des
unerwarteten Wiedersehens sollte ich noch oft haben und ich habe es
immer genossen. Auf diesem Pilgerweg fand sich eine kleine Gemeinschaft
von Menschen, die sich mochten und vielleicht sogar Freunde waren. Das
war das Besondere, das Einmalige dieser Pilgerwanderung. So etwas hatte
ich bisher auf meinen vielen anderen Wanderungen noch nicht erlebt.
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Ich liebe Märkte! Ich kaufte etwas Obst und schaute mir die Köstlichkeiten des Landes an.
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Ein letzter Blick zurück auf St. Vincent.
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Die
weiß-rote Wegmarkierung. Wer ihr folgt läuft auf der "offiziellen" Via
Francigena, kurz VF. Es ist allerdings oftmals nicht die einzige
Wegführung und auch nicht immer die beste. Ich lernte bald, dass
sorgfältiges Kartenstudium vor jeder Tagesetappe sinnvoll ist und das
man manchmal seinen eigenen Weg gehen sollte. Das tat ich etliche Male
und es war für mich immer die bessere Variante.
Darüber ein vollkommen sinnfreier Aufkleber der AIVF. Ähnlichen Unfug veranstaltet in manchen Bereichen auch EuroVia. Freunde, lasst den Blödsinn!
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Der Weg war abwechselungsreich, ... |
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... oft irgendwie lauschig und ...
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... schön zu gehen. Es hatte schon was, sich auf diese Weise einem der Dörfer zu nähern.
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Diese wirkten allerdings meist wie ausgestorben.
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Der
Pfarrer von Montjovet lud mich zu einem Gläschen Tokajer ein. Über die
neuen Wege der modernen Pilger konnte er nur den Kopf schütteln.
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Und
endlich ging es dann ins Tal hinab. Der Weg war steil und mühsam und
ging richtig in meine wunden Füsse. Im Tal ging es dann endlich mal
ohne große Anstrengungen weiter.
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Und dann waren Stefano und ich kurz vor dem Il Casello in Verres. Stefano hatte ich kurz zuvor kennen gelernt.
Il Casello war eine ordentliche Unterkunft und bot Übernachtung mit
Frühstück. Auch Abendessen war möglich. Ich nutzte alles und war sehr
zufrieden.
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Tag 11, 11.09.2015: Verres - Pont St. Martin (Camping Mombarone)
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Der Weg dieses Tages war unspektakulär. Er führte mich z.T. am Fluss
entlang und recht oft neben der Straße. In der Luft hing Hochnebel und
der Tag kam mir irgendwie düster und bedrückend vor. Von den Bergen
hatte ich langsam genug. In dieser Depri-Stimmung näherte ich mich der
beeindruckenden Festung von Bard. Die hing bei dieser Stimmung wie eine
finstere Drohung über dem Tal. Unwillkürlich kam mir der Vergleich mit
"Minas Morgul" aus dem Herrn der Ringe in den Sinn.
Irgendwo auf der Straße traf ich dann auf Erma aus Namibia, einer
offenkundig recht erfahrenen Pilgerin. Wir plauderten ein wenig und
dann zog sie im geschwinden Pilgerschritt weiter. Wie der Zufall es
wollte trafen wir uns dann doch noch auf dem Campingplatz hinter Pont
St. Martin wieder und hatten noch einen schönen Abend.
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Von
Verres ging ich einige Kilometer an der Hauptstrasse entlang. Von den
Pfaden am Hang hatte ich die Nase voll. So näherte ich mich der
eindrucksvollen Festung von Bard.
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Über diese hübsche Brücke ging es durch den Ort und ...
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...
später an der Festung vorbei. So beeindruckend das Bauwerk ist, so erdrückend
ist es auch. Der ganze Ort, ja das ganze Tal schien sie unter diesem
Koloss zu ducken. So interessant das Teil ist, ich fühlte mich in
seiner Reichweite unwohl. Irgendwie hatte ich das Gefühl, erstickt zu
werden. Ich war froh, als ich sie nicht mehr sah. Vielleicht lag es ja
auch an dem grauen Tag.
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Ein Stück hinter der
Festung dann ein römisches Artefakt aus der Normalsicht, d.h. rechts
läuft die viel befahrene Straße.
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Und
so sieht das dann auf Prospektfotos für Touris aus. Hier führte eine
römische Straße entlang. Man kann noch heute die Karrenspuren sehen und ...
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... einen Meilenstein im Fels.
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Und wieder ging es durch eine der pittoresken Ortschaften.
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Vor
Pont St. Martin machte ich gerade Pause, als sie auftauchte. Erma war
eine erfahrene Pilgerin aus dem fernen Namibia. Sie war richtig gut drauf und
zeigte mir ihre Infos über den Weg. Von ihr lernte ich zwei Dinge: Du
mußt dir deinen eigenen Camino machen, sprich, klebe nicht sklavisch an
offiziell vorgegebenen Wegen, denn die sind manchmal zweifelhaft.
Und vor dem Hintergrund meiner Fußprobleme: Gewöhn dich dran, irgendwas tut immer weh!
Gute Ratschläge, die ich nicht vergaß.
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Noch
ein ein kurzer Blick in den Führer und dann war sie schon wieder fort,
in einem Wahnsinnstempo. Ich traf sie am Abend auf dem Campingplatz
wieder und wir unterhielten uns prächtig. Doch am nächsten Morgen war
sie fort und ich sah sie nicht wieder. Ich hörte nur immer wieder von
ihr und las ihren Namen in Gästebüchern. Ciao Erma ...
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Als ich dann durch Pont St. Martin ging tauchte irgendwann die namensgebende Brücke auf.
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Sehr löblich! So was fand ich später immer wieder.
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So
bauten sie, die alten Römer. Sie ist 2000 Jahre alt und immer noch in
Betrieb. Verglichen damit sind heutige Brücken manchmal schon bei
ihrer Fertigstellung Schrott.
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Ein paar Kilometer hinter Pont St. Martin führte der Weg durch den Campingplatz Mombarone. Ich blieb eine Nacht hier und fühlte mich sehr wohl.
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Unter
den Arkaden gabs reichlich Platz mit Stühlen und Bänken. Und es gab
reichlich Steckdosen für den Treibstoff des Smartphonezeitalters:
Ladestrom! Später beobachtete ich in den Pilgerherbergen, dass der
erste Blick im Zimmer bei vielen Pilgern den Positionen der Steckdosen
galt. So hielt ich es ehrlich gesagt auch. König war der, der im Fall des Falles einen kleinen Verteilerstecker dabei hatte.
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Ich
konnte dort sogar mein Abendessen kochen. Erma und ich saßen hier noch
lange, klönten und verbesserten die Welt.
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Der Hund konnte gar nicht genug kriegen vom würzigen Geruch meiner Füsse.
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Tag 12, 12.09.2015: Pont St. Martin - Ivrea
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Erma war am nächsten Morgen fort. Sie war ganz früh aufgebrochen und
ich fand den Wohnwagen, den sie für die Nacht gemietet hatte, nur noch
leer vor. Schade irgendwie. Ich hätte mich gern von ihr verabschiedet,
denn sie war eine wirklich angenehme Person.
So trank ich meinen Caffe Americano allein und gönnte mir ein gefülltes
Riesencroissant. Übernachtung und Frühstück kosteten dann zu meinem
Erstaunen nur 11 €. Dieser Platz war nicht nur recht schön, er war auch
preiswert.
Irgendwann brach ich auf. Der Weg war unspektakulär und einfach zu
gehen. Bei Borgofranco zogen sich die Berge dann endgültig zurück und
ich vermisste sie nicht. Bei drückender Hitze zog ich in Ivrea ein. Der
Ivrea Canoa Club
hielt nicht nur Übernachtungsplätze bereit, er betrieb ein
richtiggehendes Ostello. Es lag günstig. Nur ein paar Gehminuten
entfernt konnte man Essen gehen oder in einem Riesensupermarkt (täglich
geöffnet!) einkaufen. Auf
dem Zimmer inspizierte ich erst einmal meine Füsse. Sie heilten, waren
aber immer noch offen und schmerzten noch übel. Ich
teilte das Zimmer mit einem Argentinier, der auf dem Weg von Rom nach
Santiago war und einem anderen Mann, der nicht reden wollte.
Am Abend klopfte es forsch an der Eingangstür. Es waren zwei Ladies aus
Deutschland. Sie waren bereits angemeldet und so ließ ich sie ein.
Später beim Abendessen unterhielten wir uns ein wenig. Sie kamen aus
dem Ländle und kündigten für den nächsten Tag Regen an. Egal, Hauptsache keine Berge mehr.
Ich zog für mich ein wenig Bilanz. Würde ich noch einmal den Weg bis
hierher laufen, dann würde ich am Grand St. Bernard beginnen. Nach
meinem Gefühl hat die Schweiz kein Interesse an Pilgern. Sie geben
einfach zu wenig Geld aus.
Der Weg nach Aosta hinunter war herrlich. Durch das weitere Aostatal
würde ich immer wieder intensiv nach Wegalternativen schauen, denn die
offizielle Wegführung über die nördlichen Talflanken war nicht immer
sinnvoll, oft unnötig Kraft raubend und an einigen Stellen nach meiner
Einschätzung auch gefährlich.
Die Menschen im Tal sprechen oft Französisch und scheinen sich zuweilen
eher als Franzosen, denn als Italiener zu fühlen. Ein Erbe der
savoyischen Zeiten.
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Am nächsten Morgen ging es weiter und langsam veränderte sich das Aostatal.
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Ich mag diese kleinen Dinge am Wege ...
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... und diese malerischen Ecken, die man hier immer wieder findet.
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Das Tal wurde immer weiter und langsam wichen die Berge an den Flanken zurück und wurden kleiner.
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Ich fragte mich, was diese Pylone wohl für eine Bedeutung hätten.
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Einige
Zeit später fand ich die Antwort. Sie waren Stützen für Holzgerüste,
auf denen der Wein ranken konnte. Eine mir neue Anbaumethode.
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Auf jeden Fall gedieh der Wein hier gut, wie man an diesen prallen Trauben sieht.
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Und
endlich tauchte Ivrea auf. Ich war
froh, dass ich endlich aus dem Tal heraus kam. Als Bewohner des
Flachlandes mag ich mich auf Dauer nicht in den Begrenztheiten von
Bergregionen aufhalten. Der
Weg durch Ivrea kam mir lang vor, doch irgendwann war ich am Eingang
zum Canoa Club Ivrea. Zu übersehen war er ja eigentlich auch nicht.
Hier musste man einfach nur den kleinen Weg bis zum Ende durchgehen.
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Dort war der Empfang freundlich, die Zimmer sauber und freundlich ....
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... und mit Blick auf die Trainingsstrecke des Clubs.
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