Ich war dann auch mal weg ...
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Auf der Via Francigena von Lausanne nach Rom
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Pilgerei
bedeutet meist ein straffes Programm, ohne Müßiggang, aber durchaus mit Muße.
Pilgerei bedeutete jeden Tag ein weiteres Stück eines Weges laufen, jeden
Tag ein neues Ziel erreichen. So eine Reise befriedigt durchaus
touristische Bedürfnisse, allerdings mit gewissen Einschränkungen.
So hätte ich gern noch einen weiteren Tag in Pavia verbracht, aber es
ging weiter. Laura und ich tauchten immer tiefer in die Poebene ein,
überquerten den Fluss mit Danilo Parisi, dem Pilgerfährmann, und mit
unseren Freunden. Dann noch einmal ein langes Stück bis Piacenza
Montale und Fiorenzuola d'Arda. Dort trennten sich unsere Wege, denn
Laura war deutlich flotter auf den Füssen als ich und ich mochte sie einfach
nicht länger aufhalten. Also nahmen wir am nächsten Morgen mit leichter Wehmut
Abschied voneinander, blieben allerdings über WhatsApp weiter in
Kontakt. Hin und wieder las ich noch in den Gästebüchern der
Pilgerherbergen ihren Namen.
Laura, Du warst eine wunderbare Wegefährtin und eine tolle Kameradin. Es
war schön, Dich kennengelernt zu haben und mit Dir Wandern zu dürfen!
In Fidenza stieß ich wieder auf Gerben und Wiebe, die "Flying
Dutchmen", wie ich sie inzwischen getauft hatte. Von dort ging es
Richtung Apennin und auch Agathe und Laurent sowie Dominique tauchten
wieder auf und schließlich Aurélie, eine Französin aus der Bretagne.
Das wir bis zum Ende in Rom mehr oder weniger gemeinsam laufen sollten, war auch so einer dieser seltsamen Zufälle.
Der Weg von Sivizzano nach Cassio erwies sich als sehr mühsam.
Es war heiß, meine Füsse machten mir immer noch Probleme und der Weg
war in Teilen wirklich hart für mich. Von Cassio ging es gleich
weiter nach Berceto und von dort letztlich bis kurz vor den Passo Chisa,
genauer zum Ostello Chisa, das kurz vor dem Pass liegt.
Bis auf das Stück zwischen Sivizzano und Cassio war der Aufstieg nicht
besonders anstrengend und bot hinter Cassio schöne Blicke ins Land.
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Tag 19, 19.09.2015: Pavia - Santa Cristina
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Pavia ist eine sehenswerte Stadt, nur hatte ich leider nicht die Zeit,
sie zu durchstreifen. So nahm ich auch nur eher flüchtige Eindrücke
mit, als ich
mich am nächsten Morgen auf den Weg nach Santa Cristina machte.
Es wurde wieder heiß und irgendwann am späten Vormittag hörte ich
Schritte hinter mir und drehte mich um. Agathe und Laurent waren wieder
da! Eine kurze aber freudige Begrüßung und dann waren sie auch schon
wieder fort. Und in der Pilgerherberge in Santa Cristina gabs die
nächste Überraschung: Laura! Und Gerben und Wiebe, die jedoch ein
anderes Quartier hatten. Seit dem Grand St. Bernard hatte ich sie nicht
mehr gesehen, ja eigentlich geglaubt, sie überhaupt nicht mehr wieder
zu sehen. Aber das galt auch für sie, denn sie hatten ja meine
Fußprobleme mitbekommen und waren davon ausgegangen, dass ich längst
hatte aufgeben müssen. Das hatten auch Agathe und Laurent angenommen.
So feierten wir alle unser unerwartetes Wiedersehen und meine Durchhaltevermögen mit einer mächtigen
Pizza und "Birra Moretti", unserem Lieblingsbier inzwischen.
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Über diese Brücke gings von Pavia Borgo, so heißt Pavias Vorstadt auf der anderen Flussseite, in die Stadt hinein.
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Sie ist der alten historischen Brücke nachempfunden, deren Reste man neben der Brücke noch erkennen kann.
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Gegen
den kleinen Hunger zwischendurch ging ich immer wieder gern in ein Panificio,
einer Bäckerei also, in der man auch leckere Sachen wie Olivenbrot
und Pizza vom Blech bekommt. Die Preise richten sich nach dem Gewicht.
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Panificios sollte man nicht mit diesen Bäckereien verwechseln. Gebäck und
sonstiges Süßzeugs ist zwar superlecker, läßt aber meist auch im
gleichen Maße das Portemonnaie schwinden, wie das Hüftgold wachsen.
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Derartige Gassen gibts viele in Pavia - und überall irgend etwas Interessantes zu entdecken.
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Langsam wanderte ich aus der Stadt hinaus, an einer Kaserne! der Finanzpolizei vorbei, an diesem Kanal und ...
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... dann hatte mich das platte Land wieder.
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Agathe und Laurent tauchten unerwartet wieder auf. Sie waren über
dieses Wiedersehen noch erstaunter als ich, denn sie wähnten mich wegen
meiner wunden Füsse schon längst wieder zuhause.
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Ich
komme von der Nordseeküste und habe einige Sturmfluten erlebt. Trotzdem
fand ich diese Hochwassermarken an einem Haus recht gruselig. War der
Po hier doch noch viele Kilometer entfernt.
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Fern am Horizont tauchten sie hier dann zum ersten Mal auf, die Berge des Apennin. Meine Begeisterung hielt sich in Grenzen.
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Santa Cristina war erreicht und neben der Kirche ...
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... der Zugang zum Ostello. Man muß auf den Hinterhof gehen und findet dort ...
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den Eingang zum Gemeindezentrum und damit zum Ostello. Und hier fand
ich auch Laura wieder, denn in Pavia hatten sich unsere Wege aufgrund
unterschiedlicher Unterkünfte getrennt. Die
Pilgerunterkunft war ok aber auch nicht mehr. Im großen Saal nebenan
fand an diesem Abend eine Trauerfeier für ein Mitglied der kameruner
Gemeinde statt und so schlief ich mit wunderschönen afrikanischen
Chorgesängen und dem Klang kunstvoll geschlagener Trommeln ein.
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Aber
vorher war noch Pizza Time! In Santa Cristina gabs die wohl
preiswerteste Pizza der Tour. Für nur drei Euronen ein Riesenteil, dass
sich zudem noch problemlos in die lange Schlange der "besten Pizzas,
die ich je gegessen habe" einreihte.
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Tag 20, 20.09.2015: Santa Cristina - Orio Litta
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Laura und ich beschlossen, wieder gemeinsam weiter zu gehen und
so starteten wir am nächsten Morgen nach Orio Litta. Irgendwann kamen wir
dann gründlich vom Weg ab - das passiert, wenn man vor lauter
Gerede nicht mehr auf die Markierungen achtet - und waren
kurzfristig "lost in the djungle", wie wir es in Anlehnung an Lauras
Überlebenstraining in den Reisfeldern nannten. Dank "Locus" und meiner Karten von
OpenAndromaps fanden wir wieder heraus und sie nannte mich "my hero".
Das war zwar schmeichelhaft, aber warum hatte ich nur das Gefühl, dass
sie mich nett ein wenig auf den Arm nahm?
So erreichten wir schließlich in der Hitze des Nachmittags Orio Litta.
Als wir uns dem Ort näherten entdeckten wir auf dem Hügel ein
einladendes langestrecktes Gebäude im gotischen Stil mit Glockenturm.
Das müßte toll sein, darin zu übernachten, dachten wir unisono und zu
unserem großen Erstaunen ging der Wunsch in Erfüllung.
Nur eines grämt mich auch heute noch. Aus irgend einem Grund versäumte
ich Fotos von dem einmaligen Design-Bad im Keller zu machen, dem
wirklich schönsten und originellsten Bad, dass ich auf all meinen
Reisen je zu Gesicht bekam.
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Irgendwann
am späten Vormittag hatten wir nicht mehr so genau auf die Markierungen
geachtet und
standen irgendwo mitten in der Pampa. Wir waren "lost in the djungle".
Zurück
gehen wollten wir allerdings auch nicht und so kam mein Smartphone zum
Einsatz. Dank seiner kamen wir ohne allzu große Mühe und Zeitverlust
wieder in bekanntes Terrain. Das dazu noch einige Jäger nur ein paar
-zig Meter von uns entfernt herum ballerten, sorgte zusätzlich für ein
übles Gefühl - obwohl wir wohlweislich Kontakt mir ihnen auf genommen
hatten.
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Das Castello Procaccini. Ganz
schön pompös, aber irgendwo auch sehenswert. Bewohnt wurde das Häuschen
von einem Rechtsanwalt und seiner Frau Rechtsanwältin. Wen mochten die
wohl vertreten, wenn die Honorare eine derartige Bleibe abwarfen? Laura hätte es zu gern besichtigt.
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Diese
Wegmarkierungen kurz vor Orio Litta gehörten sicherlich zur
Luxusklasse. Sie waren aus Marmor! So was gabs ja noch nicht eimal in
Carrara.
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Neben
den Wegmarkierungen waren auf dem Dammweg noch alle paar hundert Meter
diese Marmorplatten in den Boden eingelassen. Laura schimpfte, dass
man statt dieses Unfugs lieber ein paar schöne Bänke für müde Pilger hätte aufstellen sollen.
Recht hatte sie, meine Lieblingsitalienerin!
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Langsam
erschien Orio Litta in der Ferne. In der Po-Ebene braucht man einen
guten Sonnen-/Regenschirm, genügend zu Trinken und vor allem reichlich
Geduld. |
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Und so schien es gefühlt wieder unendlich zu dauern, bis wir so nahe waren und ...
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nochmals, bis wir endlich da waren. Wir staunten nicht schlecht: Das Ostello
befand sich in dem schönen Gebäude, das wir kurz zuvor noch von
unterhalb des Ortes bewundert hatten.
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Empfangen wurden wir von dieser reizenden Lady, ...
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... die uns dann alle Räumlichkeiten zeigte. Hier ist man schon auf reichlich Pilger eingestellt.
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Laura
war natürlich gleich hin und weg von dem heimeligen Schlafraum ganz
oben im Turm. Man hatte von dort rundum einen herrlichen Ausblick über
Stadt und Land. Wir waren die Ersten im Ostello, also zogen wir dort
ein. Ich nannte unser schönes Domizil scherzhaft "Honeymoon-Suite", was
mir einen strengen Blick und die Bemerkung einbrachte, dass ich
schon etwas frech wäre. Recht hatte sie - und ich wars gern!
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Der Schlafraum war schön eingerichtet, ... |
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... unter dem stilvollem, alten Gebälk der Turmhaube.
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Durch die geöffneten Fenster ging ein kühlender Luftzug. Eine Wohltat nach der brütenden Hitze der Felder.
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Agathe
und Laurent genossen den stillen Abend an diesem schönen Ort. Sie
hatten Dominique mitgebracht, einem Franzosen aus der Gegend von Lille.
Ein netter Kerl, nur sein Nordfranzösisch war so gar nichts für meine
auf Schulfranzösisch geeichten Ohren. Ich nannte es mal verzweifelt
despektierlich "Manschfranzösisch". Tschuldigung, Dominique, aber wenn
Du Dir Mühe gegeben hast habe ich Dich immer wunderbar verstanden -
jedenfalls soweit meine Vokabeln reichten ...
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Langsam senkte sich irgendwann die Abenddämmerung über diesen heimeligen Ort.
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Es
war wieder Zeit für "die beste Pizza meines Lebens". In der kleinen
Pizzeria des Ortes warteten wir auf die Prachtstücke. Hier ein schönes Beispiel
dafür, wie charmant Italienerinnen ungeduldig sein können. Ich hörte,
dass dies vollkommen anders sei, wenn sie richtig wütend sind. Das war Laura
zum Glück nie. Zumindest nicht mit mir. :-)
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Einfach
freundliche Menschen. Er liebte sein Handwerk und das schmeckte man.
Wir beide vertilgten zwei riesige Pizzas nebst vier 0,66-Liter Flaschen
Birra Morretti. Wie schaffte Laura es bloß, trotz solcher Völlereien ihre tolle Figur zu halten?
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Tag 21, 21.09.2015: Orio Litta - Piacenza Montale
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Die
Überquerung des Po stand an und wir alle beschlossen, die
Dienste des Pilger-Fährmanns Danilo Parisi in Anspruch zu nehmen. Wir
hatten ihn schon
am Abend zuvor angerufen und am Morgen mussten wir nur noch die
rund
vier Kilometer bis zur Anlegestelle zurücklegen. Nach dem
inzwischen obligatorischen Frühstück in der Bar des Ortes machte sich
dann eine kleine Karawane in der Kühle des Morgens auf den Weg. Die Sonne
stand noch tief und an einigen Stellen webten noch sanft faserige
Nebelschleier über den frisch gepflügten Äckern.
Pünktlich trafen alle an der Anlegestelle ein und pünktlich erschien auch Danilo. 
Das
Boot war schnell besetzt und dann genossen wir auch schon die rasante
Fahrt auf dem glitzernden Strom. Am anderen Ufer angekommen erhielten
wir einen umfassenden Vortrag über die Geschichte der Via Francigena in
dieser Gegend. Ich verstand nur wenig, aber es war ein Genuss Danilo
zuzuhören und zuzusehen. Dann führte er uns zu seinem Kleinod von Haus und wir fanden
Platz in seinen umfangreichen und offenkundig lückenlosen
Aufzeichnungen, die er von Anbeginn seiner Fährmannstätigkeit führte.
Nachdem wir dann alle unsere Stempel hatten, brachen wir auf. Wir waren
uns alle einig, wenn irgend möglich sollte man auf diese Art den Po
überqueren!
In Piacenza trennten sich wieder viele Wege. Einige wollten dort
übernachten, andere weiter gehen. Laura und ich hatten beschlossen, im
"Ostello Piacenza-Montale" zu übernachten. So schauten wir uns also
später ein wenig die durchaus sehenswerte Altstadt an, machten etwas
Pause und nahmen dann den unangenehmen Weg nach Montale hinaus in
Angriff. Worin der spirituelle Sinn endloser Latschereien durch die
gesichtslosen Speckgürtel der Städte am Wege liegen soll, hat sich mir
bis heute noch nicht so ganz erschlossen, eigentlich gar nicht!
Die schöne Pilgerherberge entschädigte dann allerdings für
einiges.
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Wo
trifft man sich morgens? Klar, in der Bar! Da wir alle mit der Fähre
übersetzen wollten, sammelten wir uns zwangsläufig dort. Mein Rat: Wenn
das Frühstück nicht fest im Preis für die Übernachtung
inbegriffen ist und die nächste Bar nicht zu weit entfernt ist, immer
in der Bar frühstücken. Da gibts lecker Kaffee und entweder
herrlich frische Brioches/Croissants (pur oder lecker gefüllt) und/oder
ordentliche
Panini. Je nach Region und was dort gegessen wird, kommt man für drei
bis
fünf Euronen wirklich etwas Ordentliches.
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Orio Litta bot auch beim Aufbruch noch kleine Schmankerl.
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Die
tiefstehende Morgensonne überschüttete uns in den Feldern mit einem
fahlen gold-orange, das immer wieder die schwebenden Nebelfetzen
über den Feldern aufleuchten ließ. Es war magisch.
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Höflich wie immer machten die "Flying Dutchmen" Platz für die dickste Karosse des Morgens ...
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... und weiter gings Richtung Fähre.
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Laura "La Sportiva" schaffte es sogar um diese Zeit schon gut drauf zu sein.
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Durch die Po-Ebene wandern ist vor allen Dingen eine Sache der mentalen Stärke.
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Am Fähranleger noch einmal ein kurzer Austausch von Informationen und ...
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... dann kam auch schon Danilo Parisi, der Pilger-Fährmann angerauscht. Geradezu teutonisch pünktlich!
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Frauen und schnelle Boote, ...
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... ja, ja, das mochten sie, unsere Mädels.
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Danilo
ist so etwas wie eine Institution. Seine Fähre ist ein
1-Mann-Unternehmen, mit dem er ein wenig Geld verdient und das ist auch ok so. Es
gibt immer wieder Nörgler, die ihm dies ankreiden. Wer das Fährgeld
nicht bezahlen will, der kann ja zu Fuß gehen oder mit der kommunalen
Fähre fahren, die allerdings recht eigenartige Betriebszeiten hat. Danilo
jedenfalls kommt nach Vereinbarung - und er ist halt pünktlich.
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Der Po ist, wenn er genügend Wasser führt, ein recht beeindruckender Fluss.
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Erst recht für so eine Binnenland-Landratte aus der Schweiz.
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Danilo hatte viel über die Geschichte der Via Francigena zu erzählen und ...
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... wohnte in einem herrlichen Haus.
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Überall fanden sich liebevoll arrangierte Accessoires ...
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... aus der Region ringsherum. Einfach ein Ort zum Wohlfühlen.
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Dann
kam etwas ganz wichtiges: Wir alle vermerkten uns in seinem
Journal und bekamen einen wunderschönen Stempel für unsere Credenziales.
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Danilo
hatte sein Fährgeschäft zunächst als Liebhaberei begonnen und von
Anfang an Buch geführt. Er besaß wundervolle Fotos von seinem
alten Boot und den frühreren Zeiten. Auch hatte er sein Journal Jahr
für
Jahr akribisch ausgewertet und so konnten wir recht gut die Entwicklung
der Via Francigena erkennen. Die jährliche Anzahl derer, die er
übersetzte, bildet eine fast exponentiale Kurve. Ich vermute, dass
auf der Via Francigena bald ein vergleichbarer Betrieb ähnlich
dem spanischen Camino Frances herrscht. Ich glaube, wir surften noch
vor der
Welle und war froh darüber.
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Pilgers Schicksal: Immer wieder hieß es aufbrechen, leider auch von diesem schönen Ort.
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Und
verloren uns wieder in der weiten Landschaft der frisch gepflügten Feldern, mit dem so typisch
fetten, schweren Boden der Po-Ebene. Nächste Station: Piacenza.
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Vor Piacenza dann noch diese beeindruckende Eisenbahnbrücke über einen Nebenfluss des Po.
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Dann erreichten wir endlich die historische Innenstadt. Es lohnte sich, sich ein wenig umzuschauen ...
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... oder etwas abseits des touristischen Getriebes Pause zu machen
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Die
Pilgerherberge in Picanza-Montale befand sich in einem unscheinbaren
Haus mit ebenso unscheinbarem Eingang direkt an der Hauptstraße. Innen hörten
wir jedoch kaum etwas vom tosenden Lärm. Den Schlüssel hatten wir noch beim
Pfarrer erhalten, der sich gerade zu einer Beerdigung aufmachen wollte.
Alles war toll renoviert, Bad und Küche schön eingerichtet und
gut ausgestattet. Da Laura noch besser drauf war als ich, stiefelte sie
noch
einmal zum Einkaufen los. Es gab ein Riesen-Omelett a la Laura und eine
Unmenge Salat. Herrlich! |
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Tag 22, 22.09.2015: Piacenza Montale - Fiorenzuola d'Arda
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Am nächsten Morgen gings weiter nach Fiorenzuola d'Arda. Die Karte
versprach eine Fortsetzung des schier endlosen Weges aus Piacenza
heraus und dann noch entlang der vielbefahrenen Hauptstraße. Erst später
würde es dann unspektakulär durch die ebenso endlosen Felder der
Po-Ebene gehen. Und so kam es dann auch.
Das Einzige, was dieses eintönige Einerlei durchbrach, war die
Überquerung zweier kleiner Flüsse. Wir wußten, dass sie kommen würden,
hatten aber in dieser platten Landschaft nicht so richtig daran
geglaubt. Der erste Fluss war so flach, dass wir nicht einmal unsere
mit Goretex ausgestatteten Schuhe ausziehen mußten. Beim zweiten floss
das Wasser Knöchelhoch und somit war Waten angesagt. Kein Problem, nur
dem Uferschlamm auszuweichen war etwas tricky. Bedenken hatte ich nur
wegen der zwar langsam verheilenden, aber immer noch offenen Wunden
unter meinen Füssen.
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Solche Streckenabschnitte lösten nicht unbedingt Jubelstürme aus. Aufmerksamkeit war angesagt!
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Und
bei aller Größe der Landschaft, das war nicht gerade der Bringer.
Aber solche Streckenteile gehören beim Pilgern dazu, wie die Flaute zum Segeln. Und in der
Ferne wurde der Apennin langsam größer.
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Die erste Flussdurchquerung war harmlos. Sie erschien recht unvermittelt.
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Die
zweite Flussüberquerung war ebenso unproblematisch, wir mussten nur die
Schuhe ausziehen. Wenn es hier allerdings zuvor tagelang geregnet hat,
dürfte das komplett anders aussehen. Ich denke, dann schießt hier richtig Wasser durch. Im Extremfall könnten die beiden Flüsse
unpassierbar sein.
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Tag 23, 23.09.2015: Fiorenzuola d'Arda - Fidenza
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In Fiorenzuola d'Arda trennten sich Lauras und meine Wege, und dieses
mal endgültig. Es war kein leichter Abschied, denn wir hatten uns gut
verstanden. Aber ich mußte Laura nun ziehen lassen. Sie war
schneller als ich unterwegs und die ständige Rücksichtnahme auf mich
belastete sie. Natürlich hatte "la donna" sich nie beklagt, aber ich
merkte es. Sie war eine klasse Kameradin und wir gingen als gute Freunde
auseinander. Warum nur ging mir die nächste Zeit nicht das
Lied "Laura non c'e ..." von Nek aus dem Kopf? Laura, die ersten Tage habe ich
Dich schon sehr vermisst!
Der Weg unterschied sich nicht sehr von dem des Vortags, allerdings wurde es vor Fidenza langsam welliger.
Fidenza entpuppte sich dann als kleine Überraschung. Die Stadt hatte
ein paar wirklich schöne Ecken. Der Bereich um den Dom herum und der Dom
selbst waren schon sehenswert. Dort stieß ich übrigens auch wieder auf
Wiebe und Gerben.
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Zu meinem Blues nach Lauras Weggang passte dann auch irgendwie dieses Anwesen hinter Fioronzuola d'Arda.
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Die
Gestaltung hatte etwas vom herben Charme einer Bahnhofstoilette und
wirkt auf mich wie gewollt, jedoch nicht so ganz gekonnt.
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Das
Ding war derart trist, dass es mir etliche Fotos wert war. Der
versehentlich umgesetzte Entwurf der durchgefallenen Diplomarbeit
eines Landschaftsarchitekten. Meine Güte, war ich schlecht drauf!
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Auf
einigen Feldern war die Tomatenernte im vollen Gange und hier
konnte ich sehen, wie das vor sich ging. Es waren enorme Mengen, die
hier alle paar Augenblicke fortgefahren wurden.
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Die
Erntemaschine machte fast alles automatisch. Nur beschädigte Früchte wurden noch von Hand aussortiert. Die Maschine
ließ jede Menge brauchbarer Früchte auf dem Feld liegen. Jedoch
war die Hinnahme ihres Verlustes offenkundig wirtschaftlicher, als sie einzusammeln.
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Die
Tomaten sahen lecker aus und ich wollte sie unbedingt probieren. Ich durfte mir einige nehmen. Sie hatten einen hohen
Fleischanteil und schmeckten äußerst aromatisch. Vermutlich wurden sie für
die Herstellung von Tomatenmark verwendet. Der angenehm intensive Geschmack
blieb noch lange Zeit in meinem Mund.
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Mitten in den Feldern ein riesiges Gutshaus, fast eine Burg. Der Weg führte direkt daran vorbei.
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Dieser
unscheinbare Ort in Fidenza ist wichtig, denn nur über ihn findet man
Einlass ins "Genocolo", einem Wohnheim der Caritas. Direkt neben dem
Torbogen befindet sich die ein wenig schwer entdeckbare
Touristeninformation, die mir den Schlafplatz vermittelte. Und nett,
wie die Damen dort waren, reservierten sie mir auch gleich noch einen
Platz im Ostello von Medesano, meinem nächsten Zielort.
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Das Genocolo lag gleich neben dem Dom und ich musste noch eine Weile warten, bis es geöffnet wurde.
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Und wer tauchte hier wieder unversehens auf? Meine beiden holländischen Freunde!
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Schon von außen war der Dom herrlich anzuschauen. Die mythischen Löwen trugen die Säulen links und rechts des Portals.
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Die Portraleinfassung war in feinster Steinmetzarbeit gefertigt-
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Der Dom selbst ein filigranes Stück Backsteinarchitektur, wie man sie in Norditalien häufig findet.
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Die feine Ausfertigung des Mauerwerks zieht immer wieder die Blicke auf sich.
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Sogar nachts, denn ich hatte direkten Blick von meinem Zimmer auf dieses Bauwerk.
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Tag 24, 24.09.2015: Fidenza - Medesano
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Der Weg aus Fidenza hinaus war am nächsten Morgen richtiggehend grün,
wie ich es noch in keiner der durchwanderten Städte sah. So zog ich
also unter den grünen Alleebäumen hinaus aus der Stadt. Das Land wurde
zunehmend hügeliger und als ich mich irgendwann einmal zufällig
umdrehte, stockte mir der Atem. Vor mir ausgebreitet am Horizont in
weiter Ferne der Alpenhauptkamm! Alles war klar und intensiv zu
erkennen, unwirklich, unerwartet und unglaublich!
Unterwegs stieß ich wieder auf die Schweizer und Dominique und abend
trafen wir uns alle wieder zum gemeinsamen Pizzaessen und auch die
Flying Dutchmen waren wieder da.
Nach dem phantastischen Alpenpanorama hielt der Tag übrigens noch eine
zweite Sensation für uns bereit: Eine Waschmaschine! Und so wurde
unsere Wäsche an diesem Abend nicht nur sauber sondern rein.
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Unter grünen Bäumen gehts hinaus aus Fidenza. Eine willkommene Abwechselung fürs Auge.
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Whoowww!
Rein zufällig drehte ich mich um und da waren sie, aufgetaucht wie ein
Gespenst, die Alpen. Unfassbar! Unglaublich! Ich staunte mit offenem Mund. War ich
100, 150 oder vielleicht sogar mehr Kilometer entfernt? |
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Da waren sie wieder und Agathe strahlte wie eigentlich immer. Für mich war
es ein kleines Wunder, wann und wie wir alle uns immer wieder trafen.
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Das hügelige Apenninvorland hat einen ganz eigenen Reiz.
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Medesano in Sicht.
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So war es eigentlich immer, wenn wir die Pilgerunterkunft erreichten. Lang machen und die müden Füße von den Schuhen befreien.
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...
und anschließend irgendwann gemeinsam Essen gehen. In Medesano
funktionierte der Besitzer einer kleinen Pizzeria sein Take-Away in ein
Restaurant um und wir hatten einen großartigen Abend. Die Flexibilität
und das Improvisationsvermögen der Italiener erstaunten mich immer
wieder.
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Auch
Agathe staunte nicht schlecht, denn die Damen lauschten ergriffen und
förmlich gefesselt den blumigen Ausführungen Dominiques.
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Diese Franzosen! Es liegt offenkundig in den Genen, selbst beim eigentlich grundsoliden Dominique! ;-)
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Tag 25, 25.09.2015: Medesano - Sivizzano
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Hinter
Medesano begann nach der Überschreitung des Taro der Anstieg zum Passo
Chisa. Das Flusstal war eine halbe Wildnis aber schön zu gehen. Der
dann folgende Weg nach Sivizzano erinnerte irgendwie eher ans
Alpenvorland und führte meist an Straßen entlang.
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Morgendlicher
Aufbruch in Medesano. Vor mir lief eine Pilgerin, die noch spät am
Abend in Medesano angekommen war. Wir hatten sie jedoch nicht mehr zu Gesicht
bekommen. Es war Aurélie! Hier sah ich sie zum ersten Mal - und verlor
sie auch gleich wieder aus den Augen.
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Selfie der etwas anderen Art.
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Der Weg durch das Flusstal führte durch eine Wildnis und war eigentlich schön zu gehen.
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Die gute Ausschilderung machte die Orientierung leicht.
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Die Eisenbahnbrücke vor Fornovo di Taro.
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Na, wenn das keinen Mut macht!
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Der Taro. Wie mochte es hier wohl bei Hochwasser aussehen?
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Die Pilgerunterkunft in Sivizzano war etwas schwierig zu finden. Der Eingang lag in einer kleinen Straße hinter der Kirche.
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Diese
war eine der schönsten, obwohl sie recht einfach war. Die Schlafplätze
befanden sich in einem ausgebauten mittelalterlichen Kellergewölbe.
Auch eine gut ausgestattete Küche gab es.
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Der Blick aus dem herrlich kühlen Schlafsaal in den hitzeflimmernden Innenhof.
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Ich war einer der ersten dort und begrüßte alle Nachfolgenden im Arkadengang, die Füsse schön in kühlem Wasser.
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Das tägliche Lüften der Schuhe.
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Und
endlich bekam ich auch die geheimnisvolle Pilgerin vom Morgen zu
Gesicht. Aurélie und Enrica, die quirrlige "Ostelliera" strahlten nur
so in Kamera. Schade nur, dass Aurélie mir nicht erlaubt, ihr schönes
Gesicht im hier zu zu zeigen. Das respektiere ich natürlich.
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Enrica
hatte den Laden im Griff, war aber eine total Nette. Wir mochten sie
alle. Allein schon wegen der originellen Unterkunft und wegen Enrica natürlich -
Sivizzano ist eine Empfehlung.
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Abends wurde dann wieder gemeinsam gegessen. Da es im Ort nur eine Möglichkeit gab, hatten wir keine große Auswahl.
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Tag 26, 26.09.2015: Sivizzano - Ostello di Chisa
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Hinter Sivizzano wurde es dann richtig ernst. Zunächst wanderte ich noch recht
moderat entlang der Straße bergauf, doch dann wurde es
heftig. Nicht der Anstieg war das Problem, sondern die Beschaffenheit
des Weges. Lange Zeit führte er steil, bröckelig und
geröllübersät durch Füße mordende Erosionsrinnen bergauf . Ich
schwitzte wie ein Affe und fluchte wie ein Kesselflicker. Später am Morgen hatte
ich selbst dafür einfach nicht mehr Luft und Kraft übrig. Aber dann gab es immer wieder diese reizvollen Ausblicke in eine
Traumlandschaft mit diesen hinein geworfenen Dörfern. Ein Wechselbad der Gefühle.
Gegen Mittag war ich dann in Cassio. Bei einer Pause dort lockte das
gegenüber liegende hübsche Ostello des Ortes, aber es war viel zu früh und
mein Ziel war das Ostello Chisa. Also ging es in flimmernder Hitze
weiter Richtung Berceto, zumeist entlang von Straßen. Lange Zeit lief
ich so über einen Höhenrücken und hatte zu beiden Seiten einen weiten Blick
ins Land. Nach den Strapazen vor Cassio
fühlte ich mich jetzt richtig gut.
Am frühen Nachmittag war ich dann in Berceto. Die Suche nach einer
Möglichkeit zu Versorgung gestaltete sich schwierig und ich blieb
hungrig. Auch Berceto selbst überzeugte mich nicht so richtig.
Vielleicht lag es einfach daran, dass ich nichts zu essen fand und mehr
oder weniger nur durch den Ort hindurch ging. Mein Weg zum Passo Chisa führte über einen schmalen Pfad und
von dem Punkt, wo er die Passstraße kreuzte lief ich auf dieser weiter zum Ostello.
So eineinhalb Kilometer vor dem Ostello hielt ein Wagen an und die
Fahrerin fragte mich, ob sie mich mitnehmen könne. Ich stieg ein und
erfuhr, das sie die Betreiberin des Ostello war. Zufälle gibts!
Im Ostello traf ich auf drei Pilger aus Münster in Deutschland und wir
verbrachten einen recht beschwingten Abend bei erstklassigem Essen und
guten Getränken.
Das Essen war einfach Spitze und mit 15 € auch ausgesprochen preiswert.
Es gab Bruschetta (Vorspeise), mit einer herrlichen Kräutersauce
(Primo), Fleisch mit würzigem Mus (Secondo), große Platte mit Schinken,
Käse und Trauben und Nachtisch (Dolce). Dazu Wasser und Wein. Wir
schwelgten nur so.
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Von Sivizzano führte der Weg zunächst über zumeist ruhige Nebenstraßen langsam hinauf gen Cassio.
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Der Weg wurde hier mit hübschen Terracotten gekennzeichnet. |
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Und
dann ging es so richtig hoch. Dieser Weg hier war harmlos, verglichen mit dem, was
noch folgen sollte. Da hatte ich keine Puste mehr für Fotos - und
keinen Nerv. Mal ging es durch dichte Wälder an steilen Hängen entlang,
...
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... mal über wild verwucherte Höhenrücken ...
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... und immer wieder vorbei an kleinen Dörfchen oder hindurch. Sie klebten wie Vogelnester in den grünen Hügeln.
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Diese
Orte waren so klein, dass es keine Läden oder ähnliches dort gab. Sie
wurden von rollenden Einkaufläden versorgt und auch wir nutzten diese
willkommene Versorgungsmöglichkeit.
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... und dann war erst einmal Pause.
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Schließlich tauchte ich wieder ein in die grünen Hügel des Apenninvorlands.
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Immer
wieder führte der Weg dann auch entlang der Passstraße. Übrigens
offenkundig eine Übungsrennstrecke für die Motorradbegeisterten ganz
Norditaliens.
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Cassio tauchte in der Ferne auf, kunstvoll auf einen Hügelrücken drappiert.
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Italien wie aus dem Touri-Prospekt.
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Da ich gegen Mittag in Cassio ankam, hatte ich, wie in kleinen Städten üblich, den ganzen Ort für mich.
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Dieses
hübsche Häuschen war das Ostello in Cassio. Die Münsteraner berichteten
mir später, dass die Kühlschränke wohlgefüllt mit Schinken und Käse waren.
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Kleinode am Rande gab es reichlich. So diese kunstvolle Trockenmauer kurz vor Berceto.
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Der Abstieg nach Berceto hinein war noch recht malerisch, ...
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... Berceto selbst fand ich mehr als "Tote Hose", recht enttäuschend.
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