Ich war dann auch mal weg ...
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Auf der Via Francigena von Lausanne nach Rom
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Am
Passo Chisa hatte ich irgendwie das Gefühl, die Mitte meiner Wanderung
erreicht zu haben. Es würde im wahrsten Sinne nun nur noch bergab zum
fernen Ziel gehen. Früh morgens zog ich also vom Ostello die paar
Kilometer zum Pass hinauf.
Der war dann grau mit Nebel verhangen und wirkte trist und fernab der
Welt.
Von hier wählte ich nicht die offizielle Via Francigena für
Fußwanderer, sondern die Route für Fahrradpilger und bereute es nicht. Die schmale, einsame Straße bot immer wieder herrliche
Ausblicke ins Tal, führte durch wilde Schluchten und wurde erst wenige
Kilometer vor Pontremoli etwas langweiliger. Und sie war wohl auch
bei weitem nicht so strapaziös wie die Wegführung für Fußpilger, wie ich später
von meinen Mitpilgern hörte.
Pontremoli erwies sich wieder als so ein Schmuckstückchen alter italienischer
Städte. Kreuz und quer durchstreifte ich die Altstadt auf der Insel und wurde nicht
müde, Neues zu entdecken.
Der Weg zur Küste hinunter folgte dann dem manchmal engen Flusstal und
verlief daher auch
immer wieder neben der verkehrsreichen Straße. Deshalb wich ich wieder ein
Stück weit auf die Fahrradroute aus und bereute es auch diesmal
nicht. Es ging durch stille Wälder, durch verlassen wirkende
Dörfer und die Zeit verging im Fluge.
Das Wegstück zwischen Aulla und Sarzana bot dann noch einmal
verwildertes Waldgelände mit Wegen an steilen Talhängen entlang hinauf
auf beachtliche Höhen. Und von dort sah ich das erste Mal das
Mittelmeer in der Ferne schimmern. Weit, ganz weit fort erkannte ich
die Bucht von La Spezia. Es war ein berührendes Gefühl, in diesem
Moment, als ich genau hier mit meinen Pilgergefährten
wieder zufällig zusammentraf. Wir schienen alle irgendwie im Inneren
bewegt.
Von Sarzana führte mein Weg zunächst ans Meer, dann an den weiß bekleckerten
Bergen von Carrara vorbei bis Pietrasanta. Ich staunte nicht
schlecht über die herrliche neuzeitliche Kunst, die dort im Sinne des Wortes überall auf Straßen und Plätzen
herumlag. Ich bin wohl kein sehr kunstsinniger Mensch, aber es faszinierte mich und ich staunte.
In Pietrasanta entschloss ich mich zu
einer kurzen Unterbrechung meiner Pilgerreise. Ich wollte unbedingt das weltberühmte Pisa sehen. Eine
günstige Bahnverbindung von Pietrasanta nach Pisa und später weiter nach Lucca machte
die Entscheidung leicht und meine Zeitplanung wurde nicht
beeinträchtigt. Doch
Pisa enttäuschte mich eher. Da hatte ich einfach eine etwas naive Erwartung
und der quirrlige Aufgalopp der Touristen war fast zuviel für mich. Das
Essemble von Turm und Kathedrale ist jedoch absolut sehenswert.
Wie anders war es in Lucca! Diese Stadt begeisterte mich von dem Moment
an, als ich die alte Stadtbefestigung bestieg. Lucca ist für mich auch aus
jetziger Sicht eine wirkliche
Empfehlung für einen etwas längeren Besuch.
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Tag 27, 27.09.2015: Passo de Chisa - Pontremoli
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Das
Frühstück im Ostello Chisa war für italienische Verhältnisse gleichsam
üppig und so machten sich die Münsteraner und ich gut gestärkt in der
kühlen, nebeligen Frühe auf den Weg zum zweieinhalb Kilometer entfernten
Pass. Der Weg führte problemlos immer entlang der zu dieser Zeit
fast verkehrsfreien Passstraße.
Oben angekommen duckten sich ein paar Häuser in der nebeligen
Tristesse. Nichts wars mit einer schönen Aussicht und wir waren froh,
dass wir nicht mühselig zum offiziellen Weg gelaufen waren. Hier
oben trennten sich dann unsere Wege. Die Münsteraner wollten auf der
Strasse weitergehen und ich wollte versuchen, die Alternativroute
(Radpilgerweg) zu
finden.
Vom Pass aus war der Zugang zu diesem Weg recht versteckt und
führte dann steil zu einer kleinen Gebirgsstraße hinunter. Dieser
folgte ich über viele Kilometer, weiter und weiter ins Tal hinab.
Schön
war es hier, zunächst hoch am Hang, immer wieder mit Blick tief
ins
Tal unter mir, dann immer weiter ins Tal hinunter durch enge
Urwaldschluchten mit ziemlich reißendem Fluss an ihrem Grund. Zunächst
war es
total einsam. Später kam ich an einigen kleinen Dörfern vorbei und ganz
selten passierte mich ein Auto. Erst ab der Kreuzung bei Molinello wurde die Straße etwas belebter. Ich war recht glücklich
über diesen Weg, denn nach den strapaziösen Tagen zuvor war
es einfach eine Lust zu laufen.
In Pontremoli angekommen besichtigte ich erst einmal dieses hübsche
Städchen. Ich streifte kreuz und quer durch die Altstadtinsel und es wurde mir nicht
langweilig. Irgendwann ging ich dann hinauf zum Convento, dem "Ospitale San Lorenzo Martire" in dem ich
übernachten wollte. Diese Unterkunft kann ich nur empfehlen. Sogar eine
tolle Küche haben sie dort und auch WiFi fehlt nicht.
Und dann trudelten sie auch nach und nach alle wieder ein: Agathe &
Laurent, die "Flying Dutchmen", Aurélie und Dominique. Es war schön!
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Ich
hatte ihn erreicht, den letzten großen Gebirgsübergang meiner
Wanderung. Es war ein sonderbarer Moment. Gefühlt hatte ich die Via
Francigena zur Hälfte zurückgelegt und nun lief es hauptsächlich
bergab, dem Ende der Tour entgegen. Es war irgendwie ein
Wendepunkt.
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Die beiden älteren Herren der münsteraner Crew. Sie waren recht gut drauf und nahmen es, wie es halt kam.
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Hubert,
der "Youngster" des Trios, schien es allerdings nicht immer ganz leicht
mit ihnen zu haben. Er sah das jedoch gelassen und sie
waren eine verschworene Gemeinschaft. Ich habe mich in ihrer
Gesellschaft prächtig gefühlt.
Im Hintergrund die nebelverhangenen Gebäude auf dem Pass. Um diese Zeit
war hier gerade mal eine Bar geöffnet - aber mir reichte das.
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Vom Pass ging dieser Weg hinauf zur Kapelle und links daneben führte die offizielle Wegführung der Via Francigena weiter.
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Ich
hatte jedoch die Absicht, alternativ die Route für die Fahrradpilger zu
laufen, von der ich
irgendwo gelesen hatte. Wenn
man die Passstraße ein Stück hinunter geht, biegt sie links ab. Oder
man läuft eine Abkürzung direkt vom Pass hinunter. Diese beginnt etwas
versteckt und kaum auffindbar an den ersten linken Leitplanken, war zu
Beginn etwas zugewachsen und führte zunächst steil hinab. Dort
trippelte ich also gaaaaanz vorsichtig hinunter ...
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... und
war von Beginn an begeistert. Der Weg führte immer am Hang entlang, bot
tolle Aussichten und war ganz ruhig. Trotz Asphalt lies er sich
wunderbar laufen.
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Die nahe Autostrada wird in Tunneln unter dem Berg hindurchgeführt.
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Nach
längerem Weg tauchen die ersten verschlafenen Dörfer auf. Erst später
war etwas mehr Verkehr. Ich lief zwar auf der Straße, aber bis
Molinello war das kein Problem und es ging fast immer durch
Wald. Meine Weggenossen berichteten später, dass
der offizielle Pilgerweg von Berceto zum Pass hinauf und vor allem von
dort wieder hinunter - er kreuzte sogar meine Route - mühsam war.
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Pontremoli!
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Pontremoli ist absolut sehenswert. Ich streifte durch die Altstadt auf der Flussinsel, ...
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... mit ihren schmalen Gassen ...
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... und alten Brücken.
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Verschwiegene Winkel ...
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... finden sich überall.
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Manche Gasse ist so schmal, dass in früheren Zeiten Auskehlungen für die Radnaben der Fuhrwerke angebracht wurden.
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Und
dann war es Zeit zur Unterkunft zu gehen. Das Convento erhob sich
wie eine Burg über dem Flussufer gegenüber der Altstadt.
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Ich
hatte eingecheckt und genoss den Komfort des Hauses: Einzelzimmer mit
Waschbecken, WiFi und eine tolle Küche. Dort fand ich noch Pasta, Wein
und eine ausgezeichnete selbstgemachte Pastasauce, die andere Pilger
mit freundlichem Gruß und Herstellungsdatum im Kühlschrank gelassen
hatten. Mehr brauchte es nicht für wohlige Zufriedenheit.
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Inwieweit das Convento noch seiner Bestimmung diente, war nicht festzustellen. Bewohnt wurde es jedenfalls noch.
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Vom
Flur, in dem die Pilgerunterkünfte lagen, konnte man direkt auf eine
riesige Dachterrasse mit herrlichen Ausblick auf Pontremoli gehen.
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Ich hatte hier das Gefühl, weitab von der Welt zu sein, dabei führte
direkt unterhalb des Gebäudes die stark befahrene Talstraße entlang.
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Beim Gang zum Abendessen fielen mir noch die alten Grabplatten wie diese auf, die man im Zugangsweg aufbewahrte.
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Überall
solche kleinen Eckchen. Im laufe des Abends tauchten sie alle
wieder auf, die üblichen Verdächtigen: Die "Flying Dutchmen", die
Schweizer, Dominique und auch Aurélie, die wir schon in den Wäldern
verloren glaubten.
Auf meine Frage an Agathe, wie sie es denn wegen der Einzelzimmer ohne
ihren Laurent aushielte, lachte sie mich verschmitzt an und sagte: "Das
hält er nicht aus. Er wird nachher seine Matratze in mein Zimmer
bringen, du wirst sehen." Und so war es dann auch.
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Tag 28, 28.09.2015: Pontremoli - Aulla
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Von Pontremoli ging es immer dem Flusstal folgend hinab nach Aulla.
Aufgrund der Enges des Tals führte der Weg immer wieder entlang der
stark befahrenen Straße. Irgendwann hatte ich genug davon, wechselte auf
die rechte Flussseite und folgte dort wieder der Route für
Fahrradpilger. Eine echte Überraschung, denn der Weg verlief auf
schmalen Nebenstraßen fast ohne Autoverkehr, führte durch verschlafene
Dörfer hindurch und sogar an einer alten Festung vorbei. Auch gab es
immer mal wieder schöne Ausblicke ins Tal. Es war nicht spektakulär
aber es gefiel mir.
In Aulla musste ich dann praktisch durch die ganze Stadt zur Abbazia
San Caprasio laufen. Die Unterkunft war in Ordnung, mit guten
Badezimmern und sogar PC mit Internet.
Abends gabs dann mal nicht italienisch sondern asiatisch und die Holländer, Aurélie, Dominique und ich waren recht ausgelassen.
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Morgenstimmung in Pontremoli.
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Auf
dem Weg zum Ortsausgang fand ich dann diesen Wasserautomaten am Weg.
Für ein paar Cent konnte Pilger hier seine Flaschen füllen. Solche
Automaten sah ich später auch noch an anderen Orten und fand sie recht
sinnvoll.
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Langsam
kam die Sonne durch und immer wieder ging es entlang der
Hauptverkehrsstraße im Tal. Nur kurze Zeit nach dieser Aufnahme war
dann richtig Betrieb. Der Verkehr machte mir nicht viel aus, aber der
Lärm. Im Laufe der Wanderung reagierte ich immer empfindlicher darauf.
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Dann
hatte ich genug und wechselte in Villafranca auf das rechte Flussufer. Dort
folgte ich den kleinen Sträßchen der Weges für Fahrradpilger. Es war
wieder einmal eine richtige Entscheidung. Endlich hatte ich Ruhe, gute
Luft und oft schattige Wege.
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Immer wieder gabs weite Blicke ins Tal und inzwischen feuerte die Sonne Hitzestrahlen übers Land.
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Die Fahrradpilger fahren wahrlich nicht die schlechtesten Wege.
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Die Festung von Lusuolo.
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Von hier beherrschte sie das Tal.
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Inzwischen
war es Mittag, Zeit für Siesta also. In Lusuolo bewegte
sich nichts und ich glaubte, dass der leichte Wind jeden Moment ein paar
vertrocknete Mesquitebüsche über die Straße rollen würde. High Noon!
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Es war wirklich kein Mensch zu sehen, nicht einmal ein Tier. Der Ort jedoch war einfach malerisch.
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Dann
ging es wieder hinunter ins Tal und nach etlichen Kilometern kam dann
der Ortseingang von Aulla in Sicht. Vom Ortseingang bis zur Herberge zog es
sich dann noch gewaltig.
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Die
Anmeldung erfolgte in diesem unscheinbaren Gebäude, in dem sich auch
ein kleines Pilgermuseum befand. Der Eingang zur eigentlichen Herberge
war dann in einer anderen Straße. Ja, und da waren sie dann wieder,
meine Freunde.
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Natürlich war nicht nur Wiebe an dem kleinen Museum interessiert. Wir alle schauten uns die recht interessanten Exponate an.
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Toll fand ich, dass die Gemeinde dieses Museum auch als Besprechungraum nutzte.
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Dieses
Relief eines Labyrinths befindet sich im Original im Dom von Lucca. Ich
war später etwas betrübt, dass ich es versäumt hatte, es mir in Lucca
anzuschauen. Na ja, hier sah ich wenigstens die schön
gearbeitete Replika.
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Das
Warten auf den Stempel wurde mit einem kleinen Plausch verbunden. Den
setzten wir dann abends beim Chinesen fort. Die italienische Küche ist
schon klasse, aber wir wollten mal etwas Abwechselung. Zum Essen gab es
statt des üblichen Birra Moretti oder dergleichen chinesischen
Gerstensaft aus Tsingtau.
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Tag 29, 29.09.2015: Aulla - Sarzana
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Hinter Aulla gings noch einmal über die letzten Ausläufer des Apennin, bevor mein Weg endgültig zur Küste hinunter führte.
Am Ortsausgang wurde ich Zeuge eines kleinen Dramas. Seit Pontremoli
war ich immer wieder auf eine kleine Gruppe, offenbar recht
wohlsituierter, älterer Pilger (zwei Frauen, ein Mann) gestoßen. Sie
wurden von einem jüngeren "Guide" über den Weg geführt. Diese Gruppe
stand nun etwas ratlos am Ortsausgang auf der anderen Seite des
Flusses, der "Guide" durchwühlte gerade hektisch seinen Rucksack. Ich fragte
ob ich irgendwie helfen könne. Eine der Frauen verneinte und bedankte
sich mit zornbebender Stimme. Der Führer hatte seine kompletten
Unterlagen mit den Karten verbaselt, vermutlich am Abend zuvor im
Restaurant vergessen. Über der Gruppe wurden die Sprechblasen langsam
dunkelgrün und als ich weiterging eilte der junge Mann mit hochrotem Kopf im
Geschwindschritt zurück in die Stadt, um vielleicht noch zu retten was
zu retten ging. Etliche Tage später traf ich noch einmal auf die Gruppe
- diesmal ohne "Guide".
Hinter Aulla gings dann immer höher hinauf, durch Wälder, vorbei an
malerischen Dörfern und durch sie hindurch, halsbrecherisch steil wieder hinunter
an Steinbrüchen entlang und schließlich wurde der Blick ganz weit: Zum
ersten mal sah ich auf dieser Tour das Mittelmeer. Ganz fern am
Horizont konnte ich die Bucht von La Spezia glitzern sehen.
Und genau an diesem Ort trafen wir Weggefährten uns wieder. Fast
alle, denn Agathe und Laurent hatten ihre Reise kurz wegen einer
familiären Angelegenheit unterbrochen und wir alle
vermissten sie. Danke für Eure Gesellschaft, Ihr beiden. Ich habe sie
sehr genossen.
Der Abstieg nach Sarzana zog sich aber irgendwann kamen wir in der
Hitze des Tages an. Die Pilgerunterkunft bei der "Parrocchia S. Francesco" war höflich gesagt
"einfach" - wahrheitsgemäß gesagt ein Dreckloch. Aber die Auswahl war nicht groß,
denn in Sarzana gabs kaum preiswerte Unterkünfte.
Hier trafen wir auf Jo, einem Chinesen aus Taiwan, der sich kaum
verständigen konnte. Er war froh, dass er sich uns später in der Stadt
anschließen konnte. Die Begegnung mit ihm ließ mich auf den Gedanken
kommen, dass immer irgendwie eine Verständigung, wenn auch nur
rudinentär, möglich ist, wenn die Partner nur den wirklichen Willen
dazu haben. Ich
spreche kein Italienisch. Trotzdem war es auch mir immer möglich, mich
irgendwie zu verständigen.
Am späten Nachmittag trafen wir uns dann alle unter Orangenbäumen auf
dem Marktplatz. Zu jedem Bier gabs ohne Aufpreis eine Platte mit
leckeren Häppchen. Derart viel, dass wir auf das Abendessen verzichten
konnten. Das Leben war schön!
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Wie immer ein entspannter Start in den Tag.
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Am
Ortsausgang geht es über den Fluss und dann immer weiter hinauf. Auf
der anderen Seite traf ich dann auf die zornige Pilgergruppe mit dem
armen "Guide".
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Irgendwann
sah ich am Weg diese Baustelle und fragte mich, was hier wohl gebaut
würde. Die Antwort fand ich später. Es war ein Friedhof! Sozialer
Friedhofsbau sozusagen.
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So sieht so etwas dann fertig aus. Schließfächer für Särge! Schon recht ungewöhnlich für mich.
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Der Weg war schön und abwechselungsreich.
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Immer wieder kam ich an diesen dorfbekrönten Hügeln vorbei ...
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... oder durchquerte sie. Und immer wieder knatterte irgendwo eine "Ape" über den Weg. Italien ohne Ape - nicht vorstellbar! |
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Solche Einblicke ins ländliche Italien bleiben Otto-Normal-Tourist verborgen. Wir genossen sie.
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Nachdem
ich steil wieder hinab musste und einen ausgedehnten Wald durchquert
hatte, öffnete sich unvermittelt der Blick und ich hörte Stimmen ...
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... und da waren die Gefährten wieder. Gänzlich unerwartet, denn wir hatten uns einige Zeit vorher getrennt.
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Irgendwie
war dies ein ganz besonderer Ort, denn zum ersten Mal sahen wir das Mittelmeer
und ganz fern am Horizont die Bucht von La Spezia. |
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Noch einmal Dörfer, auf die Hügelkuppen geklebt wie Schlagsahne auf dem Eis
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Es ging weiter bergab und der Weg nach Sarzana zog sich hin in der brütenden Hitze.
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Bei
einer Rast bewunderte ich Dominiques Buch der Bücher, seinen
Reiseführer. Eine reichlich zerfledderte Schwarte. Es nötigte uns großen Respekt
ab, dass er trotz dieses Dings - und mehr hatte er nicht - immer ankam
wo er ankommen wollte. Phänomenal!
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Gerben
sieht man seine Entspanntheit förmlich an. Mit der Länge des
zurückgelegten Wegs stieg bei allen die Gelassenheit in vielen Dingen. |
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In Sarzana schliefen wir in der Parrocchia S. Lorenzo auf dem Boden. Alles war recht schmuddelig, auch das Bad.
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Im verwilderten Hof konnte die Wäsche aufgehängt werden.
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Dominique
beim täglichen Waschgang. Keine sehr empfehlenswerte Unterkunft, aber
die Auswahl in Sarzana ist klein. Zum Glück war diese Art
Unterkunft wirklich die Ausnahme.
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Abends
Treff auf dem Markt. Zu unserer Gruppe hatte sich noch Jo gesellt. Er
kam aus Taiwan und war mit einem Höllentempo auf dem Weg unterwegs. Er
sprach kein Italienisch oder Französisch und nur rudimentär Englisch.
Aber irgendwie kam er durch und wir bewunderten das anerkennend.
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Eigentlich
wollten wir später noch Essen gehen aber zu jedem Bier wurde hier
ein Brett mit köstlichen Häppchen serviert. Kostete nichts extra. Nach ein paar
Bier waren alle derart satt, dass das Abendessen entfallen musste.
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Über uns italienisches Lebensgefühl pur: Wir saßen unter Orangenbäumen in denen dicke Früchte leuchteten.
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Tag 30, 30.09.2015: Sarzana - Massa
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Der Weg nach Massa war von drei Dingen geprägt: Bambus, Meer und Marmor!
Je näher ich dem Meer kam, des so verwunderter rieb ich mir die Augen.
Immer wieder und immer häufiger stieß ich auf manchmal recht ausgedehnt wuchernde
Bambusdschungel, wie ich sie seit meiner UN-Mission in Kambodscha nicht
mehr gesehen hatte. Manche Stämme waren bestimmt gute fünf Meter hoch
und stark wie ein Arm. Ich fragte mich, was hier wohl geschehen
war. Eine kleinere Umweltkatastrophe? Bambus in dieser Häufigkeit und
diesem Format hätte ich in Italien nicht vermutet.
Als ich dann endlich das Meer erreichte war es ein stiller, irgendwie
feierlicher Moment. Ich wusste, ein wichtiges Zwischenziel war
erreicht. Nun führte mich der Weg immer an der Küste entlang bis Massa.
Es war angenehm. Eine leichte Brise bachte Meeresluft heran.
Schon nach kurzer Zeit erreichte ich Carrara. Eines Ortsschilds hätte
es nicht bedurft, denn an dem weltberühmten Marmor führt hier kein Weg
vorbei. Landeinwärts erkennt man gut die Marmorbrüche in den Bergen. Es
sieht aus als hätten Generationen von Tauben diese Berge bekleckert. An
der Uferstraße reihen sich Werkstätten und Kleinbetriebe, die Marmor
verarbeiten. Auf der Straße donnern immer wieder LKW mit riesigen
weißen Marmorblöcken vorbei. Im Hafen von Carrara lagerten Unmengen dieser
Blöcke. Zum Meer hin wird die Uferstraße von einer kilometerlangen
Promenade begleitet. Die Rinnsteine sind aus Marmor gefertigt, die Einfassungen
der Blumenbeete, ja sogar die Bänke. Selbst im Meer findet man ihn
noch, denn selbst etliche Buhnen sind aus ihm gebaut.
Die Strandbäder und Lokale waren jetzt, Ende September, fast alle
geschlossen und eigentlich war der Weg nicht sonderlich spektakulär.
Direkter Kontakt zum Wasser war nur an wenigen Stellen möglich, denn der
größte Teil des Ufers befand sich in Privatbesitz. Hinter Massa traf ich wieder auf Dominique und wir gingen gemeinsam zur Herberge, dem Ostello Turimar.
Dieses befand sich in einem riesigen Gebäudekomplex und war ein Anlaufpunkt für Backpacker. Diese Unterkunft war
recht gut mit einem tollen Schwimmbad. Irgendwann kamen auch noch die
Holländer und abends gingen wir gemeinsam essen.
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Nicht erwartet - hoher Bambus säumte meinen Weg.
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... und schöne große Olivenbäume.
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Welche Dimensionen der Bambusbewuchs an vielen Stellen hatte, kann man anhand dieses Fotos erahnen.
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Auf der Autostrada war Stau. Aber ich ging einfach drunter durch und ...
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kam auf die Straße, die mich zum Meer führen sollte. Erstaunlich, der
Bambus wucherte derart, dass kaum noch Autos fahren konnten. Gute fünf
Meter wurde er hoch mit dicken Stämmen.
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Was war hier nur geschehen? Eine mittlere Umweltkatastrophe? Dschungelbuch ließ grüßen!
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La mer! Endlich!
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Carrara, Welthauptstadt edlen Marmors.
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In der Ferne die berühmten Marmorbrüche. Griechen und Römer bedienten sich hier bereits.
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In Carrara ist Marmor nichts außergewöhnliches. Beete waren mit ihm eingefasst und ...
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... auch die Rinnsteine bestanden daraus.
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Auf der Uferstraße ein LKW nach dem anderen mit z.T. gigantischen Marmorblöcken.
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Selbst die Sitzbänke der Promenade waren daraus gefertigt.
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Im Hafen ein riesiges Areal mit Marmorblöcken, die zur Verschiffung in alle Welt bereit standen.
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Die Marmorbrüche wirkten ein wenig, als hätten viele Generationen Tauben sie bekleckert.
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Angekommen. Die Pilgerunterkunft befand sich im Turimar.
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Dieses wiederum befand sich in einem riesigen Gebäudekomplex direkt am Strand. Der Zugang erfolgte von der Strandstraße.
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Wiebe war schon da und saß auf - natürlich - einer Marmorbank!
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Auch mein Badezimmer war komplett mit Marmor ausgekleidet.
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Der Blick aus dem Zimmer. Das Turimar ist ein guter Anlaufpunkt für Pilger und Backpacker.
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Wir
hatten wieder einmal gut gegessen und als eine Art Dessert gabs dann
noch ein wenig Abendstimmung am Meer. Wir waren glücklich.
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Tag 31, 01.10.2015: Massa - Pietrasanta
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Der Weg nach Pietrasanta war nicht besonders aufregend. Ich tat mich
mit Dominique zusammen und wir verließen auf der endlos scheinenden
Uferpromenade Massa. Irgendwann wurde uns dieser Weg zu eintönig und
wir wechselten auf eine landeinwärts gelegene Parallelstraße, die
wenigstens etwas mehr Abwechselung bot.
Nach etlichen Kilometern bog der Weg ins Landesinnere ab und wir liefen
direkt auf Pietrasanta zu. Über den Marktplatz mit den Riesenskulpturen
erreichten wir die Diäzösanverwaltung, bei der sich auch die
Pilgerherberge befand.
Wir wurden von einer freundlichen Nonne empfangen und bezogen das
Quartier. Das war ein kleiner Anbau, der nur sechs oder acht Pilgern
Unterkunft bot. Aber es war irgendwie gemütlich und mit einem ordentlichen
Bad. Auch Aurélie trudelte noch ein und alles war gut.
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Am Anfang ja noch ganz schön, aber auf die Dauer langweilig, der Weg am Meeresufer ohne Ufer.
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Am
Weg irgendwo ein Denkmal für irgendwas. Selbst der schöne Marmor war
uns inzwischen über.
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Ein
letzter Blick aufs Meer bevor es landeinwärts ging. Im Hintergrund eine
riesige Buhne - natürlich aus Marmor. Diese Marmorinflation hatte schon was
leicht dekadentes.
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Ankunft
in Pietrasanta. Hier hatte jemand so richtig den Kopf verloren.
Über den Marktplatz ging es zur Treppe im Hintergrund, dort klingelte
ich und wurde von einer freundlichen Schwester in der
Pilgerunterkunft einquartiert.
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Kunst auf dem Markt.
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Diese Gigantskulpturen ...
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... waren nicht nur ...
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... auf den ersten Blick ...
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... absolut beeindruckend.
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Zum abendlichen Rundgang ging es dann besagte Treppe beim Bischofsitz wieder hinunter.
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Die Altstadt bot immer wieder überraschend Kunst und ...
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... Marmor.
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Ein Blick in den schönen Dom lohnt sich ...
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...
und wenn man in der Dunkelheit zur Unterkunft zurückkehrt, die Treppe hinauf gestiegen ist, dann sollte man oben auf der
Treppe kurz verhalten und noch einmal den Blick über den nächtlichen
Marktplatz schweifen lassen.
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Tag 32,
02.10.2015: Pietrasanta - Pisa - Lucca
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Von
Pietrasanta war es nicht weit bis Pisa und es gab eine günstige
Zugverbindung. Ich entschloss mich also, die Gelegenheit beim Schopf zu
packen und unterbrach meine Pilgerwanderung.
Doch Pisa enttäuschte mich ein wenig. Das Ensemble um den Turm ist ja
wirklich sehenswert, doch die Stadt selbst ersoff im Touristenrummel
und wirkte auf mich nicht übermäßig reizvoll.
Mit der Bahn ging es dann komfortabel nach Lucca und diese Stadt nahm
mich wiederum gleich gefangen. Sie ist ein wahres Schmuckstück! Ich
streifte kreuz und quer durch Straßen, Gassen und Gässchen der Altstadt und konnte mich
nicht satt sehen. Schließlich suchte ich das "Ostello San Frediano" auf
um dort zu übernachten. Das Ostello war eine Jugendherberge und befand
sich sich im alten Diäzösangebäude der Stadt. Es war die erste JuHe in
der ich übernachtete, in der jede Menge Marmor verbaut worden war - und die erste mit eigener Bar!
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Morgens wie fast immer. Mein Brötchen war gerade in Arbeit.
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So etwas nennt man in der weiten Umgebung um Parma herum ein richtiges Schinkenbrötchen! Garantiert frisch und köstlich!
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Morgens brauchten wir alle immer so unsere Zeit und langsam hinterließen die Strapazen unserer Pilgerreise auch ihre Spuren.
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Und auf
einmal brauste es aus heiterem Himmel ganz gewaltig und ein paar
heftige Böen rauschten über die Piazza. So heftig, dass sie etliche
große Töpfe mit Olivenbäumen umrissen.
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Auf den Weg zum Bahnhof ein letzter Kunstgruß dieser außergewöhnlichen Stadt.
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Am
Bahnhof die erste positive Überraschung des Tages. Um diese Karte nach
Pisa am Automaten zu kaufen brauchte ich vielleicht drei bis vier
Minuten - als Ausländer und ohne jemals vor so einem Ding gestanden zu
haben! Absolut problemlos, wie in der Schweiz. Wenn ich an den Mist
denke, den die Deutsche Bummelbahn ihren Fahrgästen Tag für Tag zumutet
... seufz.
Und beim Fahrkartenkauf informiert der Automat auch gleich darüber,
wieviel Minuten Verspätung der Zug der gewählten Verbindung eventuell hat.
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Der Bahnhof von Pietrasanta - mit Marmor verkleidet, natürlich!
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Im wimmeligen Ameisenhaufen
Haupbahnhof Pisa angekommen, geht man vor den Eingang und dann fast nur
gerade aus und irgendwann sieht man, wofür man eigentlich herkam.
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Er ist wirklich beeindruckend, der berühmte schiefe Turm im Essemble mit dem Dom.
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Nicht so sehr dass der Turm schief ist, sondern die atemberaubende handwerkliche Kunst der Erbauer beeindruckte mich.
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Die Zeiten sind unsicher. Überall auf dem Gelände Militär mit Maschinenpistolen, sicher nicht zur Zierde.
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Der
Sinn dieses Gebäudes neben dem Dom erschloss sich mir bis heute nicht -
hab aber auch nicht weiter nachgeforscht. Ich fands einfach interessant
und schön.
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Leider
wurde der Ausflug durch schlechtes Wetter getrübt. Immer wieder trieben
heftige Böen Regen über den Platz und vernichteten diverse
Regenschirme. Trotz des miesen Wetters war der Platz voll mit
Touristen. Pisa kann den Erbauern des schiefen Turms noch heute dankbar
sein.
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Apropos,
schief ist der Turm ja gar nicht. Dieses Foto beweist es eindeutig. Die
Leute laufen nur eine kleine extra aufgeschüttete Erhebung hinauf. Also
alles nur ein genialer Marketing-Gag um Touristen anzulocken. Die
Pisa-Verschwörung ist durchaus gleichzusetzen mit der
Bielefeld-Verschwörung. Einfach nur übel!
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Von diesen schönen Türklopfern, die ich in Italien immer wieder sah, war ich begeistert.
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Es gibt
durchaus eine Menge schöne und interessante Dinge in Pisa zu sehen,
aber insgesamt enttäuschte mich diese weltberühmte Stadt doch ein
wenig. Ich hatte das Gefühl, diese Stadt hat einen Großteil
ihrer Identität, ihres Charmes, ihrer Seele für das Touristengeschäft
verkauft. Wie gesagt, nur ein Gefühl.
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Auf dem Weg zum Bahnhof sah ich dieses zeitgenössische Gestühl. Muss ein wohl proportioniertes Modell gewesen sein.
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Freies
WiFi fand ich immer wieder in Italien, so auch in Pisa. Aber unbedingt
angewiesen war ich darauf nicht. In fast jeder Bar mit WiFi bekam ich
Zugang, manchmal tippte mir ein Barista sogar den Zugangscode ins
Smartphone.
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Märkte in Italien sind meistens ein Fest für alle Sinne. Dieser hier fand sich am Platz kurz vor dem Hauptbahnhof.
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Wer in Italien nichts findet, was ihm schmeckt, der ist entweder ein Banause oder ihm ist einfach nicht zu helfen.
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Vom besagten Platz war es dann nicht mehr weit bis zum Bahnhof.
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Nach kurzer Zugfahrt erreichte ich Lucca. Und Lucca zeigte mir erst einmal wenig einladend seine mächtigen Festungswälle.
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An
einer der vorspringenden Bastionen gehts dann die Befestigung hinauf.
Die Bastionen boten früher freies Schussfeld die Mauer entlang.
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Oben
angekommen erkennt man die Mächtigkeit der Anlage. Die Mauerkrone ist
derart breit, dass es möglich war auf ihr eine regelrechte Straße
anzulegen. Ein Großteil der alten Stadt befindet sich innerhalb dieses
Festungsrings.
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Nachdem
ich von der Mauer herabgestiegen war, war dies das erste größere
Gebäude, an dem ich vorbei kam - der phantastische Marmordom von Lucca!
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An der filigranen Steinmetzarbeit konnte ich mich nicht satt sehen.
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Schwarzer
und weißer Marmor und ein Hauch Alhambra. Ich kam aus dem Staunen nicht
heraus. Im Dom bekommt man übrigens einen schönen Stempel für den
Pilgerpass. Auch das berühmte Labyrinth, ich hatte ja die Kopie schon
in Aulla bewundert, findet sich hier.
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Innen ist der Dom prachtvoll ausgestattet.
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Mein weiterer Weg zu Unterkunft führte mich einmal quer durch die alte Stadt.
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Überall gabs schöne Ecken, ...
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... eindrucksvolle Häuser, ...
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... schöne Details, ...
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... Kirchen aller Art und ...
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... immer wieder kunstvolle Handwerksarbeit.
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Die Schluchten der schmalen Straßen locken den Entdecker.
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Immer wieder schmale Gassen und verschwiegene Ecken.
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Und
irgendwann landet man auf einem eigenartigen, ellipsenförmigen Platz.
Wohnhäuser, kleine Geschäfte, Cafes und Restaurants kauerten sich rundherum. Kaum zu
glauben, dass genau hier, in der ehemaligen Arena der alten Römerstadt, vor 2000 Jahren blutige Kämpfe stattfanden
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Ich
kehrte im Ostello S. Frediano ein, eigentlich eine Jugendherberge,
die sich in ehemaligen Gebäuden der Diäzöse befindet.
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Dem allgegenwärtigen Marmor ...
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... entkam ich auch hier nicht. Die bischöfliche Verwaltung wußte schon zu residieren.
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Die Bar mit reichlicher Alkoholauswahl - in einer deutschen Jugendherberge undenkbar!
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Abends streifte ich wieder durch Lucca.
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Diese Stadt hatte es mir einfach angetan.
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Sie ist
offenkundig sehr lebenswert für ihre
Einwohner. Ich hatte mich in diese Stadt verliebt und für mich zählt
sie zu absoluten Sehenswürdigkeiten der Toskana. Natürlich gibts auch
z.B. San Gimignano, Montereggioni, Siena oder Sutri - aber Lucca, Lucca
hatte
einfach was.
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