Auch ich war mal weg ...
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Auf der Via Francigena von Lausanne nach Rom
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Ich
wanderte nun durch das Herz der Toskana. Was soll ich viele Worte
machen? Diese Landschaft wurde schon von vielen beschrieben und es gibt
kaum etwas, außer meinem persönlichen Erleben, was ich dem noch
hinzufügen könnte. In diesem Moment, in dem ich diesen Bericht
schreibe, spüre ich immer noch dieses Gefühl, dort zuweilen wie im
Traum hindurchgewandert zu sein. Ich kam durch Landschaften und Orte,
die jedem Toskana-Klischee mehr als gerecht wurden.
Meist ging es über die Wirtschaftswege dieser durch und durch genutzten
Kulturlandschaft. Nur manchmal führte der Weg durch ein Fleckchen Wildnis oder
Wald. Und dabei entdeckte ich meine eigenartige Vorliebe für die
überall anzutreffenden Olivenbäume.
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Tag 39,
09.10.2015: Siena - Ponte d'Arbia
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Siena ist wirklich großartig! Ich bedauerte, wie so manches mal, nicht
viel Zeit zur Entdeckung dieses Ortes zu haben, doch meine Wanderung
war eine Pilgerreise mit ihrem eigenen Rhythmus und so blieb nur ein
Blick auf diesen besonderen Ort, bevor ich schon am nächsten Tag weiter zog.
Nach kurzer Zeit nahm mich dieses geheimnisvolle Land wieder auf
und in seinen Bann. Noch lange ging der Blick zurück auf diese
Stadt, die langgestreckt wie eine Schlafende auf ihrem Höhenrücken in
den ersten Sonnenstrahlen lag. Dann wurde sie kleiner und verschwand
schließlich im Dunst.
Der weitere Weg führte mich über endlose Wirtschaftswege nach Ponte
d'Arbia. Im kleinen Laden nahe der Brücke kaufte ich ein paar Sachen
und machte mich nach einem kurzen Besuch der Bar auf zur Herberge.
Nach einem ersten Schreck über deren heruntergekommenes Äußeres hatte
ich aber doch einen erholsamen Aufenthalt hier. Bis auf einen anderen
Pilger aus Deutschland war niemand dort.
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Zum
Frühstück waren wir allein in der großen Küche der Casa und dann ging
es auch schon hinaus in die morgendliche Betriebsamkeit Sienas.
Aufgrund der Lage der Herberge war es nicht mehr weit bis zum Ausgang aus
der Stadt - einem stilvollen natürlich!
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Schon kurz hinter der Stadt begrüßte uns die Toskana wie man sie sich eben vorstellt.
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Und
noch etwas weiter fiel der Blick zurück auf diese
außergewöhnliche Stadt. Dann wurde sie immer kleiner, bis sie
schließlich ganz verschwand.
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Irgendwann tauchte Italo vor mir auf. Ein kurzes Stück gingen wir zusammen und dann ging ich wieder allein ...
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... durch dieses alte Land ...
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... in dem sich der Weg endlos um die sanften Kuppen windet.
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Irgendwann
war ich in Ponte d'Arbia und fand nahe der Brücke den ersten Hinweis
auf mein Tagesziel, dem "Centro Culturale Mons. L. Cresti".
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Ich
gestehe eine gewisse Beklommenheit, als ich die Herberge erblickte.
Alles machte einen recht heruntergekommenen und nicht gerade
einladenden Eindruck.
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Nach
etwas Suchen fand ich den Eingang und kurz darauf herzliche Aufnahme.
Innen war es einfach und sauber mit einer schönen großen Küche und so
fühlte ich mich letztlich doch recht wohl hier. Noch ein anderer
Deutscher, Hermann aus Flensburg war dort. Er war von Flensburg nach
Santiago und von dort nach Rom gelaufen. Jetzt war er auf dem Heimweg
und müde.
In der Küche hatten andere Pilger Bier, Wein und reichlich Lebensmittel
gelassen. Ich kochte also für Hermann und mich und es ging uns gut.
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Auf eigenartige Weise hatten hier etliche Pilger Zeichen ihrer Anwesenheit hinterlassen.
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Tag 40, 10.10.2015: Ponte d'Arbia - San Quirico d'Orcia
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Der nächste Tag sollte mich nach San Quirico d'Orcia führen und begann,
nicht gerade berauschend, mit Regen. Nach dem üblichen
Frühstück in der Bar führte der Weg in weiten Teilen an
Straßen - ich war inzwischen auf die Cassia gestoßen - entlang. Ich
lief und lief und kam irgendwann triefend in SQO an. Einer der wenigen
Regentage! Doch böse Überraschung: Die Herberge machte erst spät am Nachmittag auf.
Also sah ich mich mich noch etwas in der Stadt um und traf dabei wieder
auf Aurélie, die Dutchmen und Italo.
Während meines Rundgangs traf ich auch auf Paddy aus Boston und seine Frau.
Sie waren ziemlich aufglöst, denn der Bancomat hatte ihre Kreditkarte
gefressen und nun hatten sie ein Problem, am Wochenende, ohne
Kreditkarte und ohne Bargeld. Sie hatten erst einmal Notaufnahme bis
zum Montag in der Pilgerherberge gefunden. Ich lernte: 1. Immer
genügend Bargeld haben und 2. nie am Wochenende Geld mit der Karte abheben!
Abends gingen Aurélie und ich noch in die ausgezeichnete Pizzeria des
Städtchens und waren dann froh, nach anstrengendem und
eintönigem Tag in tiefen Schlaf sinken zu können.
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Einladend war es ja, dass Schild an der Tür der Pilgerherberge. Leider öffnete sie erst sehr spät am Nachmittag.
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Auch Italo hatte den Weg hierher gefunden.
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Einfach, sauber und vollkommen ausreichend. Aurélie und ich bezogen unser Nachtlager.
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Blick vom Eingang der Herberge auf den Kirchplatz.
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Tag 41, 11.10.2015: San Quirico d'Orcia - Radicofani
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Der Aufbruch von San Quirico d'Orcia verlief eher schleppend, da ich
mich noch ein wenig umsehen wollte. So schlenderte ich mehr aus dem Ort
hinaus und machte mich verhalten auf den Weg zum ersten Tagesziel,
Bagno Vignoni. Bis dorthin hatte ich immer wieder diesen Blick ins Land.
Das große Becken in Bagno Vignoni mit der immer noch kräftig
sprudelnden Quelle ist sehenswert. Als ich dort ankam schwebten
sphärische Klänge zart über dem Wasser. Ihren Ursprung fand ich erst
bei genauem Hinsehen. Ein Harfenspieler schuf diese Klänge mit seinem
Instrument. Einige Momente war ich wie verzaubert von
diesem sensiblen Gewebe der Töne.
Der weitere Weg nach Radicofani war lang und ohne wirkliche Höhepunkte.
Einkehren war nach Bagno Vignoni auch nicht mehr möglich.
Es ging mir auch nicht sonderlich gut an diesem Tag und so fragte ich zwei Kilometer
vor dem Tagesziel angesichts des letzten steilen Anstiegs ein
italienisches Ehepaar, ob sie mich in ihrem Auto mitnehmen könnten. Kein Problem und
so befand ich mich kurze Zeit später ein paar hundert Meter höher im
Ort.
Die Herberge war etwas schwierig zu finden aber schließlich hörte
ich lautes Rufen, sah hoch und über mir jemanden heftig
gestikulieren. Italo! Er warf mir den Schlüssel hinunter und alles war
erstmal gut.
Ich war fix und fertig, bezog mein Bett und brauchte eine Weile um mich
zu erholen. Später kamen auch noch die Dutchmen und Aurélie, die mich
wegen meiner Tramp-Einlage zunächst missbilligend anschaute. Als sie die
Gründe und von meinem Handicap erfuhr bekam ihr Gesicht doch etwas
besorgte Züge.
Abends aßen wir in "La Grotta" das ausgezeichnete Pilgrim Menu. Vorher kehrten wir noch in der Bar
gegenüber dem Ostello ein. Zu meinem Erstaunen bekam ich dort vom Barista
meinen verbeulten Tilley-Hut in die Hand gedrückt. Ich hatte ihn am
Nachmittag, als ich auf der Suche nach der Herberge war, dort vergessen
und dies bis dahin noch nicht einmal bemerkt. Das wirft ein gewisses
Licht auf meine Verfassung zu diesem Zeitpunkt.
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Etwas Sight-Seeing beim Auszug aus San Quirico d'Orcia. Der schöne Brunnen auf dem Kirchplatz, ...
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... das verwitterte Kirchenportal, das ...
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... durchaus einen genaueren Blick lohnte und ...
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... noch ein paar Blicke auf den Ort, bevor ...
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... es wieder hinaus ging ...
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... ins Land.
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Auf dem Weg nach Bagno Vignoni.
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Immer wieder dieser Blick ...
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... oder andere interessante Dinge am Weg, wie dieser Friedhof.
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Das große Becken von Bagno Vignoni mit der sprudelnden Quelle. Schon die Römer liebten diesen Ort.
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Und über dem Wasser schwebten ganz leise zarte Klänge. Erst als ich genauer hinschaute entdeckte ich deren Quelle.
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Ein Harfenist verzauberte ein wenig den Ort mit seinem Spiel.
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Das Becken noch einmal aus anderer Sicht.
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Eine Tafel gab einige Erläuterungen zur Geschichte dieses Platzes.
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Von
Bagno Vignoni ging es erst einmal hinunter zum Fiume Orcia und an der
anderen Seite wieder hinauf. Hier konnte ich den Überlauf des Beckens
gut erkennen. Im Laufe der Jahrhunderte hatte sich eine dicke
Sinterschicht Minerale am Hang abgelagert
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Irgendwann später war ich wieder auf den so typischen Wegen ...
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... durch die Felder.
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Dann tauchte ein kleiner schwarzer Punkt in der Ferne auf, wurde größer und
schließlich zu Aurélie. Sie war gewöhnlich schneller als ich unterwegs
und so wurde sie ...
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... dann wieder zu einem kleinen Punkt in der Ferne. Dort tauchten bereits die Umrisse von Radicofani auf.
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Kurz
hinter Ricorsi gings dann über den Torrente Formone und auf die letzten
Kilometer. Wenn es hier so richtig regnet, und das passiert durchaus, ist
die Brücke ganz sicher den Trittsteinen unterhalb vorzuziehen.
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Die markanten Türme von Radicofani im Teleobjektiv. Zum Glück musste ich dort nicht ganz hinauf. Der Ort liegt etwas unterhalb.
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An
diesem Tag ging es mir nicht gut, hatte ziemliche Probleme mit dem
Kreislauf. Deshalb bat ich ein italienisches Paar mich die letzten zwei
Kilometer in ihrem Auto mitzunehmen. Dies taten sie gern und setzten mich auf meinen
Wunsch nahe des Ortes, dort, wo der Pilgerweg den Hang hinauf kam,
wieder ab.
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Man erkennt doch recht deutlich die Höhenmeter, die ich auf diesem letzten Stück noch hätte bewältigen müssen.
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Endlich
angekommen, von Italo auf den letzten Metern gelotst und mit den Haustürschlüsseln versehen. Ich brauchte
eine Weile, bis ich mich wieder erholt hatte.
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Tag 42, 12.10.2015: Radicofani - Acquapendente
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Radicofani
war eines der vielen sehenswerten kleinen Städtchen durch die mich mein
Weg immer wieder führte. So ließ ich mir beim Aufbruch am nächsten
Morgen gut Zeit, kaufte beim Alimentari am Ortsausgang ein paar
Dinge und suchte dann die dort befindliche Bar zum Frühstück auf. Und
wen traf ich dort - natürlich? Die üblichen Verdächtigen aus Holland
und Frankreich!
Dann wieder Hügelauf und Hügelab. In Ponte a Rigo gabs dann
endlich mal wieder eine Bar am Wege und wie immer trudelten alle nach
und nach dort ein. Hier hatte ich die Wahl zwischen einer
Wegvariante (mit deutlich mehr Kilometern) durch die Hügel und einer
weiteren, die in weiten Teilen der Via Cassia folgte. Ich wählte die
zweite Alternative. Vor
Acquapendente ging es wieder bergan aber irgendwann war ich im Ort
und musste noch ein ganzes Stück bis zur Herberge laufen. Dort traf ich
auf Aurélie und Italo und über WhatsApp meldeten sich dann auch noch
die Holländer. Wir trafen uns zu einem ausgezeichneten Pilgermenu für
10 € und hatten noch einen herrlich unbeschwerten Abend.
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Nach erstklassigem Kaffee und Croissants gings wieder hinaus.
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Wieder dieser weite Blick nach vorn, ...
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Radicofani verschwand hinter mir und ...
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... vor mir tauchten einige Zeit später einige neue Mitpilger auf, ein eher seltener Anblick. |
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Immer kleiner wurde Radicofani und immer tiefer ging es hinab.
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It's a long, long way to Tippa ... - ähm, Rome. Aurélie fand es an der Zeit, auch von mir ...
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... mal wieder ein paar Fotos zu machen.
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Bis hierher hatte ich schon einiges an Biopren abgeworfen, bis Rom sollte es noch deutlich mehr werden.
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Ich bewunderte Aurélie, wie sie klaglos ihren mächtig schweren Rucksack schleppte. Sie war wirklich sehr tough!
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Wildes, ...
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... schönes, ... |
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... weites Land. |
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Immer und immer wieder! |
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Der Eingang zur Herberge in Acquapendente.
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Tag 43, 13.10.2015: Acquapendente - Bolsena
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So
langsam merkte ich, dass es auf den Herbst zuging. Morgens war es
manchmal schon spürbar kühler als noch einige Wochen vorher in der
Po-Ebene. Heute sollte es nach Bolsena am gleichnamigen Lago gehen. Bis
S. Lorenzo Nuovo führte der Weg mehr oder weniger unspektakulär durch
die Felder. In S. Lorenzo ging ich die Hauptstraße hinauf und von einem
Moment auf den anderen lag er tief unten vor mir, der Lago Bolsena.
Der folgende Weg führte dann abwechselungsreich durch die Wälder und Äcker des ringwallartigen Seeufers und machte richtig Spaß.
In Bolsena stieg ich über steile Wege hinab in die Altstadt und brauchte dann noch etwas bis zur Unterkunft
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So langsam näherte ich mich meinem endgültigen Ziel.
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S.
Lorenzo Nuevo - hier sah ich den Lago Bolsena zum ersten Mal. Ein
erstaunlicher Anblick, wenn der See urplötzlich hinter dieser Straßenkuppe
auftaucht.
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Dann kam schon der Ortsausgang ...
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... und der See lag in seiner immensen Größe vor mir.
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Kurz darauf verschwand der Weg im Wald am "Ringwall".
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Der Weg diente ganz offenkundig nicht nur der Pilgerei.
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Da fühlte ich mich dann noch mehr willkommen ...
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Mal Wald, mal Bauernland und ...
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... immer wieder geht der Blick ...
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... auf den See. |
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Der Weg ist hier schön ausgeschildert. |
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In Bolsena geht es sehr steil hinab in die Altstadt.
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An malerischen Winkeln hats dabei mal wieder keinen Mangel.
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Der kaum erkennbare Eingang zur Herberge in Bolsena.
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Tag 44, 14.10.2015: Bolsena - Montefiascone
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Der Weg von Bolsena nach Montefiascone sollte zum Teil über die
Via Cassia Antica führen, einer alten Römerstraße. Für mich, der ich
mich für römische Geschichte interessiere, so etwas wie ein kleiner
Höhepunkt der Reise. Doch ich fand die Römerstraße nicht und es ging
nicht nur mir so. Auch alle anderen unserer kleinen Gemeinschaft fanden
sie nicht. Merkwürdig.
Montefiascone war bald erreicht aber es brauchte noch reichlich Zeit um
zur Herberge zu gelangen. Doch zuvor musste ich mich am Ortseingang
noch vor einem plötzlich einsetzenden, heftigen Regenschauer in eine
Bar flüchten. Italo! Warum war ich nicht überrascht, ihn dort anzutreffen? Und
warum überraschte es mich auch nicht, als auch noch die Dutchmen einliefen?
Italo und ich zogen dann weiter zur Herberge. Ich konnte sehen, dass es
ihm nicht gut ging, denn er schleppte sich förmlich den Weg entlang.
Das hielt ihn als echtem Italiener jedoch nicht davon ab, in der
Herberge noch ein wenig mit einer den Schwestern zu schäkern.
Auch Aurélie meldete sich noch und so aßen wir mal wieder alle zusammen
in einer richtig guten Trattoria am Beginn der V. Dante Aleghieri. An
diesem Abend beschlossen wir, uns auf alle Fälle am 29. Oktober auf dem
Monte Mario zu treffen und dann gemeinsam die letzten Kilometer zu
Petersplatz zu laufen.
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Ganz so
verkehrt lag ich mit "Ringwall" also doch nicht. Wohl der
Kraterwall eines Vulkans. Auf jeden Fall waren die Basaltformationen
sehr sehenswert.
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Hübsche Ecken gabs auch hier
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In Montefiascone fragte Italo nach dem Weg zur Herberge.
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Es
mag nicht gerade so aussehen, aber er war ein richtiger Kämpfer und
hatte meinen wirklichen Respekt ab. Nach Montefiascone verloren wir uns
leider aus den Augen.
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Der Schlafsaal in der Herberge, einfach, sauber ...
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... und mit eigenem Balkon zum Hof. Sowas ist immer gut, um die Wäsche des Tages zu trocknen.
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Italo,
Italo! Da flirtete er doch glatt mit der netten Schwester in der
Herberge - und dass, obwohl es ihm wirklich nicht gut ging.
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Der Eingang zur Herberge in Montefiascone.
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