.:  Der Landgänger  :.


Auch ich war mal weg ...

Auf der Via Francigena von Lausanne nach Rom


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Rom war erreicht, meine Pilgerreise beendet. Ich verbrachte noch ein paar Tage in Rom und genoss die wundervolle Stadt in vollen Zügen. Doch dies ist eine andere Geschichte.

Was war eigentlich so anders an dieser Wanderung und hatte sie mich im Sinne des Pilgerns irgendwie weiter gebracht?
Im Vergleich zu meinen sonstigen Wanderungen und Trekkingtouren hatte ich sehr viel Kontakt zu anderen Menschen -  Mitpilgern und normale Bewohner der durchwanderten Landschaften in der Schweiz und Italien. Darauf hatte ich gehofft, aber wie es dann letztlich kam, das war einfach nur großartig. Ich denke, mein Bericht lässt dies auch ein wenig erkennen.

Die Schweizer, eher als zurückhaltend bekannt, zeigten mir gegenüber in mehreren Fällen eine große Hilfsbereitschaft. Bitten mußte ich nie darum! Hier also noch einmal mein Dank an alle. Insbesondere seien hier der Polizist Michele, der ex-Snowboarder Max sowie Schwester Anne Marie und Christine vom Hospiz auf dem großen St Bernhard genannt. Ich bin sicher, ohne sie hätte ich es bei meinen Problemen nicht geschafft!

Von den Italienern hatte ich eine etwas von Klischees und von Urlaubsaufenthalten in Norditalien geprägte Vorstellung: Laut, lebhaft und etwas aufdringlich.
Doch sie waren so ganz anders, hielten sich normalerweise zurück, waren weder aufdringlich noch besonders neugierig, dafür fast immer ausgesprochen freundliche und höfliche Menschen. Wenn ich sie jedoch um Hilfe bat, gabs kein Halten. Sie rissen sich fast ein Bein aus, um helfen zu können und sie konnten mir irgendwie immer helfen! Sehr pragmatisch - allerdings meist mit viel Gestikulieren und Geschnatter. Das erlebte ich immer wieder und entlang der ganzen Strecke. Diese Menschen haben mein Bild von Italien und seinen Bewohnern gezeichnet. Ich liebe beides: Land und Leute!
Diese Begegnungen lehrten mich auch, Menschen nicht so schnell aufgrund von Äußerlichkeiten in eine Schublade zu packen. Manches mal lag ich da, insbesondere am Anfang, ziemlich falsch und zuweilen schämte ich mich dafür ein wenig vor mir selbst.

Pilgerwege haben nicht immer eine an landschaftlicher Schönheit orientierte Wegführung. Sie folgen den alten Routen zum Pilgerziel und die sollten zu früheren Zeiten möglichst kurz, problemlos und kraftsparend sein. Genau diese Maxime gelten aber auch für moderne Verkehrswege unserer Zeit. So kommt es also, dass man immer wieder mal entlang verkehrsreicher Straßen läuft. Ich weiß, dass dies manche stört, für mich war es jedoch kein Problem. Außergewöhnliche Gefahr verspürte ich dabei nicht, war jedoch äußerst vorsichtig und legte großen Wert auf sehr gute Sichtbarkeit. Dies kann ich unbedingt raten.
So richtig störten mich jedoch manche Wegführungen des "offiziellen" Weges, die zuweilen große Umwege beinhalteten und/oder aufgrund der Topographie sehr kraftraubend waren. Vermutlich sollten sie Wegstücke an Straßen vermeiden oder touristische Ziele berühren. Man sollte sich nichts vormachen: Pilgerei weckt auch wirtschaftliche Interessen.
Ich habe nach ein, zwei Wochen daher angefangen, jeden Abend die Etappe des nächsten Tages auf dem Smartphone zu studieren. Und dann bin ich immer mal wieder meiner eigenen Wege gegangen. Bereut hab ich es nie und ich hatte oft aufgrund der Erzählungen meiner Mitpilger den Eindruck, die deutlich bessere Wahl getroffen zu haben. Manche von ihnen klebten irgendwie zwanghaft an der "offiziellen" Wegführung. Ich habe das nie verstanden.

Übernachtet habe ich in der Schweiz und dem Aostatal im Zelt, denn ich war nicht bereit, die Mondscheinpreise in der Schweiz zu bezahlen. Die Campingplätze dort waren jedoch preiswert und meist gut ausgestattet. Auch im Aostatal hatte sich dies bewährt. Ab Ivrea schlief ich jedoch nur noch in Pilgerherbergen und von Vercelli schickte ich schließlich Zelt- und Kochutensilien nach Hause.
Auf die Pilgerherbergen hatte ich große Hoffnungen gesetzt, da ich hoffte, dort Mitpilger aus aller Herren Länder zu treffen. Die meisten Herbergen waren einfach aber mit dem Erforderlichen ausgestattet. Einige waren richtige Wohlfühldomizile mit Einzelzimmer und Bad und nur in Sarzana schlief ich in einem verkommenen Convento auf Matratzen auf dem Boden. Insgesamt also eine sehr positive Erfahrung. Meist zahlte ich für eine reine Übernachtung eine Spende von 10 € und wenn es Essen gab 20 €. Das war nach meiner Beobachtung üblich und wurde von den Gastgebern als angemessen betrachtet.
An Hotels, Pensionen oder Fremdenzimmer hatte ich kein Interesse, auch wenn es sie entlang des Wegs reichlich gab.
Vorbestellt oder reserviert habe ich Unterkünfte nur ein- oder zweimal und fand immer ein Bett für die Nacht. Einmal, in Montereggioni war es jedoch knapp. Pilgerschwärme auf dem Weg sind die Heimsuchung des Einzelpilgers und müssen im Auge behalten werden. Und diese großen Gruppen treten immer häufiger auf, je näher man Rom kommt.

Verpflegung entlang des Weges ist kein Problem. In der Schweiz sollte man allerdings daran denken, dass Restaurantbesuche teuer sind. Eine Pizza für 20 € ist durchaus möglich.
In Italien habe ich die Bars lieben gelernt. Sie sind i.d.R. sehr preiswert. Gut Frühstücken für 3 - 5 € ist durchaus normal und auch ein kleiner Snack zwischendurch ist möglich.
Sofern Frühstück in den Pilgerunterkünften gegen extra Geld angeboten wurde, habe ich darauf verzichtet, wenn eine Bar in der Nähe war. Ach ja, oftmals gibts dort auch WiFi fürs inzwischen unvermeidliche Smartphone. Ist ausgeschildert oder einfach fragen.
Abends gabs dann meist Pizza oder Pasta. Davon bekam ich einfach nicht genug. Meine preiswerteste, beste und riesigste Pizza aß ich in Santa Cristina für 3 €, die beste Pasta in der Spaghetteria von San Miniato Alto und die phantastischsten Gnocchi zusammen mit einem erstklassigen Pilgermenu im Ostello Chisa. Das "Birra Moretti" wurde von uns allen als Kalorienlieferant und Durstlöscher nach langem, anstrengenden Tag sehr geschätzt. An die ungewöhnlichen 0,66 Liter Flaschen gewöhnt man sich schnell.

Öffentliche Verkehrsmittel nahm ich zweimal in Anspruch, in der Schweiz und kurz vor Pisa. Beide male war es absolut unproblematisch, denn selbst für einen nicht der Landessprache mächtigen Ausländer war der Ticketkauf am Automaten vollkommen problemlos. Wenn ich da an den Mist denke, den die Deutsche Bahn ihren Kunden zumutet, dann werde ich nachdenklich ...
Für die Anreise von Lübeck nach Lausanne und die Rückreise von Rom hatte ich Europa-Spezial-Tickets für rund 60 €, bzw. 80 € mit ICE etc. gebucht. Das funktionierte wiederum tadellos und war m.E. konkurrenzlos preiswert.
Meine Ausstattung hat bis auf zwei Ausnahmen sehr gut funktioniert. Obwohl ich erprobte Schuhe anhatte, waren sie noch nicht erprobt genug und meine Blasen hätten fast zum Abbruch geführt. Also unbedingt mindestens auf einer Wochentour testen.
Hüttenschlafsäcke aus Baumwolle oder Seide nerven mich, da ich im Schlaf herumwühle. Künftig werde ich eine Art sehr leichtes selbstgenähtes Spannbettlaken mit Einschubfach für ein Kissen o.ä. mitnehmen. Zusammen mit meinem Quilt ist das dann prima.

Herausheben möchte ich noch mein Smartphone. Nicht nur, dass ich alle Führer und Karten mit GPS und GPX-Tracks darauf hatte, ich fand auch meine Unterkünfte problemlos (Aurélie gab mir den Tipp). Adresse in Google-Maps eingeben und hinlaufen. In mancher Stadt ersparte mir das vermutlich Riesensucherei und -lauferei. Über WhatsApp hielten wir Kontakt und empfanden das als äußerst hilfreich und wohltuend.

Meine Hoffnungen auf interessante Bekanntschaften wurden reichlich erfüllt. Ich lernte Laura, Aurélie, Agathe, Marijke, Lena, Hanni, Gerben, Wiebe, Geri, Laurent, Dominique, Lorenzo, Hermann und viele, viele andere kennen und ich mochte sie alle. Wir verstanden uns, halfen uns und wurden meist Freunde.
Euch allen gehört mein ganz besonderer Dank. Danke Freunde, ohne Euch wäre meine Reise nicht gewesen, was sie war!

Was bleibt?
Es bleibt die Erinnerung an eine ganz außergewöhnliche Reise und Erfahrung.
Es bleibt die Dankbarkeit für acht Wochen fast regenfreie Wanderung, dafür, wunderbare Menschen kennengelernt zu haben, gesund geblieben zu sein und - natürlich! - Rom erreicht zu haben.

In diese Freude mischt sich allerdings ein wenig Traurigkeit: Ich werde diese Wanderung nicht wiederholen, denn es kann einfach nicht noch besser werden. Ich möchte diese einzigartige Erinnerung an eine wundervolle Zeit meines Lebens so behalten, wie sie ist.
Aber schließlich gibt es ja auch noch den Franziskusweg, die Via de la Plata, ...



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  © Hartmut Henkel - erstellt: 29.10.2016