3D-Druck- auch für Outdoorsachen

Bei meinen Outdoor-Aktivitäten gibts immer wieder kleine Dinge, die ich tatsächlich brauche oder einfach gern haben möchte. Finden und Bekommen sind aber oft schwierig oder oft vollkommen überteuert. Da hilft dann oft der Einsatz einer 3D-Cad Software und eines 3D-Druckers oder man druckt damit z.B. bereits fertig gestaltete Dinge des unendlichen Thingiverse-Universums aus.
Natürlich nutze ich den Drucker auch anderweitig, z.B. um Rümpfe und Beschlagteile für Rennsegelboote der Klasse RG-65 zu fertigen.

Mein erster Drucker war ein „Alfawise U30 Pro“. An dem habe ich jede Menge gebastelt und ihn vor allem leise gemacht. Der druckte in erstaunlicher Qualtät, aber ich wollte jetzt etwas Neues. Denn inzwischen wußte ich recht genau, was mein Drucker können und haben sollte und das gab es nun auch auf dem Markt. Ein geradezu sensationelles Angebot für nur 199 € gab dann den letzten Anstoß.

Mein neuer ist ein „Artillery Genius Pro“ und der sollte wirklich alles bieten, was ich mir so wünschte. Seine ganzen Features möchte ich hier nicht zum 1.000sten Mal wiederholen, denn davon gibt es mindestens 999 sehr ausführliche bei YouTube!
Die für mich wichtigsten und damit die Entscheidungskriterien des Artillery Genius Pro möchte ich aber kurz nennen:

  • Bereits out of the Box sind ausgezeichnete Druckergebnisse möglich.
  • Der Drucker ist recht leise.
  • Der Zusammenbau ist wirklich simpel und schnell.
  • Der mechanische Aufbau ist zudem extrem stabil.
  • Der Drucker hat alle Features, die ich mir wünschte.
  • Nachträglichen Basteleien sind nicht erforderlich.

Und tatsächlich, das Teil war wie versprochen ruckzuck aufgebaut. Nur das Leveln brauchte etwas Zeit. Gespannt wartete ich dann auf den ersten Druck. Eine Art Vase, die Artillery als G-Code mitlieferte. Die druckte ich mit den Standardeinstellungen des Genius-Profils in Cura. Das Ergebnis war ausgezeicnet. Das gilt auch für die anderen Testdrucke. Das heißt für mich, dass ich erst einmal nichts an den Einstellungen der Firmware und dergleichen vornehmen werde. Ich bin vollauf zufrieden!

Doch woran sollte/muss man normalerweise schrauben um unzureichende Druckergebnisse zu optimieren?
Das wichtigste wäre die Kalibrierung des Extruders durch Anpassung der Steps, mit denen er das Filament fördert. Dann die PID-Einstellung. Damit ist Temperatursteuerung von Druckkopf und Heizbett gemeint. Als letztes die Einstellung des Flusses von Filament im Slicer. Die beiden ersten kann man z.B. mit Pronterface einstellen. Dazu, wie das geht findet man auch etliche Videos in YouTube.

Damit zum letzten Punkt des 3 D-Druckens, die Software. „Pronterface“ (neu: Printrun) braucht man also zum editieren der Firmware des Druckers. Gibt es Gratis.
Sehr viele Dinge, die man drucken möchte, gibt es schon fertig als sogenannte .stl-Dateien auf Websites wie z.B. „Thingiverse“.

Findet man dort nichts bleibt nur DIY mit einem 3D-Cadprogramm. Das erfordet allerdings einen mehr oder weniger intensiven Lernprozess. Auch diese Programme gibt es für Privatanwender mit geringen Einschränkungen gratis. Ein relativ einfaches ist „Tinker-Cad“. Mein Favorit ist jedoch Autodesk „Fusion 360“. Das ist ein absolutes Profiprogramm und bietet dem Hobby-Anwender wirklich alles, was er braucht. Das Ergebnis wird dann jeweils als .stl-Datei gespeichert oder exportiert. Diese definieren das 3D-Objekt.

Mit der kann man aber noch nicht drucken. Das Druckprinzip beruht darauf, dass Schicht auf Schicht Filament gelegt wird. Also müssen die 3D-Objekte auch in Schichten zerlegt, „gesliced“ werden. Die dafür benötigte Software nennt man daher „Slicer“. Auch die gibt es gratis wie z.B. „Cura“ von Ultimaker“ oder der „Prusa Slicer“. Auch hier muss man sich etwas einarbeiten denn für optimale Druckergebnisse bedarf es optimaler Einstellungen.
Die Slicer geben ihre Ergebnisse als .gcode Dateien aus. Diese steuern den Drucker.

Für das Drucken braucht man sog. Filament. Da gibt es etliche Sorten. Die wichtigsten sind PLA, PETG, ABS und TPU. Die sind für verschiedene Anwendungsbereiche geeignet.
PLA ist das Universalfilament für viele Einsatzzwecke schlechthin und es ist relativ problemlos druckbar. Die Nachteile: PLA ist hitzeempfindlich und kann sich dann verformen. Auch ist die Witterungsbeständigkeit nicht besonders hoch.
PETG ist deutlich hitzebeständiger. Allerdings etwas schwieriger zu drucken. Das Druckergebnis ist meist nicht perfekt, wie es mit PLA möglich ist.
ABS ist das Material für harte Beanspruchungen. Allerdings ist der Druck tricky und sollte möglichst in einer Einhausung erfolgen denn Luftzug kann zur Ablösung des Bauteils vom Druckbett führen.
TPU ist ein elastisches Filament zum Druck elastischer Bauteile. Für Druckköpfe, die über einen PFTE-Schlauch vom Feeder versorgt werden kaum geeignet, da sich das Filament im Schlauch oft staut. Dieses Problem gibt es mit einem direkt angetriebenen Druckkopf nicht.

Soweit erst einmal mein Kurzdurchgang durch die Welt des 3D-Drucks. Ist eher für die gedacht, die bisher noch keine großen Berührungspunkte mit der Materie hatten. Ist alles keine Raketenwissenschaft.
Bin mal gespannt, wie es mit meinem Genius Pro weiter geht. Bis jetzt bin ich mehr als nur zufrieden mit dem Teil. Ich bin schon überrascht, dass die vollmundigen Lobpreisungen vieler Tester tatsächlich zutreffen!

Edit 05.06.2023

Um es gleich zu sagen, nach wie vor bin ich von dem Drucker begeistert! Aber nach ein paar Tagen des Testdruckens kam ich dann doch zu einigen Erkenntnissen. Zunächst einmal zu einigen scheinbaren Kleinigkeiten, die das Druckerleben doch etwas einfacher machen und bei vielen Druckern auch heute noch nicht umgesetzt sind.

Wenn ich mir die Berichte von der Premiere des Genius anschaue, dann hat Artillery offenkundig bei seinen Kunden sehr genau hingehört und beim Genius Pro eigentlich alle Kritik- und Schwachpunkte beseitigt. Auch die zunächst als Stabilitätsrisiko vermutete markante blaue Querstrebe aus Plastik steht nicht mehr zur Diskussion.

Test, Test, Test …

Da ich es immer gern genau wissen möchte habe ich natürlich etliche Tests durchgeführt. Zunächst einmal wollte ich wissen, ob der Extruder kalibriert werden musste. Getestet habe ich nach diesem Video auf YT.

Das Ergebnis erstaunte mich. Der Extruder fördert das Filament auf den Millimeter genau! Also kein Handlungsbedarf.

Als nächstes kontrollierte ich das Heizverhalten von Nozzle und Druckbett. Das nennt man PID-Tuning und auch hier nutzte ich obiges Video. Für diese beiden Arbeiten verwendete ich Pronterface (neu Printrun). Damit kann nicht nur die zumeist verwendete Marlin-Firmware der meisten Drucker auslesen, testen sondern auch mit den Testergebnissen editieren.

Als letztes überprüfte und kalibrierte ich die Flussrate mittels eines hohlen Cubes den man bei Prusa nebst Anleitung herunter laden kann. Dazu braucht man aber eine elektronische Schieblehre.
Ganz ohne geht es aber gem. dieser interessanten Methode auch. Überhaupt ist drucktipps3D.de als Wissensquelle für 3D-Drucker das, was Thingiverse für jene ist, die nicht selbst ihre Druckobjekte fertigen können oder möchten.
Der Unterschied zu Extruder-Kalibrierung ist, dass bei dieser einzig um die Länge des geförderten Filaments geht, beim Fluss jedoch um das Volumen.

Edit vom 06.06.2023

Langsam wurde es Zeit den Drucker an seinen künftigen Platz im Ivar-Regal von Ikea unter zu bringen. In das Teil hatte ich eine Einhausung eingebaut. Dafür brauchte es allerdings einige kleine Umbauten.
Der größte Brocken war die Zuführung des Filaments, denn den alten Rollenhalter konnte ich nicht mehr verwenden. Bei Thingiverse fand ich was passendes, druckte es es aus und schraubte den neuen Rollenhalter auf das Regalbrett über dem Drucker.
Als nächstes suchte ich nach einer Lösung, wie ich den Filamentsensor anbringen kann. Die war dann ganz simpel. Ich hängte sie unter dem Brett an ein Stück Schnur auf, das ich durch das Führungsloch fürs Filament zog. Oben auf dem Brett wird es mittels einer Schraube in zwei möglichen Positionen gehalten. ganz einfach. Die Gefahr eines Kabelbruchs besteht nicht und das Filament läßt sich bequem wechseln.

Ansonsten habe ich die Einhausung noch hübsch gemacht.

Der Drucker ist nun komplett eingehaust. Das schützt vor Staub, ermöglicht auch das Drucken schwieriger Filamente wie ABS und er ist kaum noch zu hören. Eine absolut lohnende Investition.

Der Drucker ist jetzt gut eingestellt/kalibriert. Jetzt beginnt die etwas langwierigere Suche nach den optimalen Einstellungen in meinen Slicern Cura und IdeaMaker. Aus Erfahrung weiß ich, es braucht Geduld! Aber es lohnt sich …

Edit vom 10.06.2023

Tja, und wie es so kommt, fiel mir zufällig ein Rollenhalter für Filamente ins Auge, der ganz besonders meinen Anforderungen entspricht. Von 500 g, über 1.000 g, 2.300 g bis 4.500 g passen da die handelsüblichen Spulen drauf. Nur die kleinen für 250 g nicht. Die passen aber bestens auf den alten Halter. Also war nix für die Tonne!

Edit vom 30.06.2022

Inzwischen ist der Alfawise U30 Pro verkauft und ich habe mich gut mit dem Genius Pro eingefuchst. Nach einem ziemlichen Jammertal drucke ich jetzt PETG-Filament in einer Qualität, die PLA-Drucken bester Ausführung in nichts nachsteht.


Eine der Outdooraktivitäten ist Segeln mit Booten der Klasse RG-65. Ich baue die Boote selbst und jetzt nur noch per 3D-Drucker. Das aktuelle Boot wird mit einem neuen, aufschäumenden PLA gedruckt und Slicen funktioniert mit dem bisher ausschließlich genutzten Ultimaker Cura-Slicer nicht. Es war also erforderlich, auf den ideaMaker-Slicer umzusteigen. Den kannte ich zwar, blieb aber Cura treu. Ich trenne mich ungern vom Gewohnten.
Und tatsächlich war der Umstieg schon etwas holperig, denn das Bedienkonzept unterscheidet sich schon sehr von Cura. Inzwischen möchte ich den ideaMaker nicht mehr missen, denn m.E. bietet er mehr und ist komfortabler als Cura. Ich habe für PLA-, PETG- und LW PLA-Filament 6 Templates (Druckprofile) angelegt, je eines für Normal- und eines für Vasendruck. Alle funktionieren bestens!

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