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Ich war eindeutig reif für die Insel! Nach diversen Touren aller Art in den letzten Jahren brauchte mal was ganz anderes, etwas mit viel Muße. Aber was? Mit dem Zelt sollte es schon sein, so richtiges Camping, denn ich liebe das Leben in den Stoffhütten. Schon mal gut – und wie? Stinknormale Plätze liegen mir für längere Aufenthalte nicht so. Zu wenig Zelte, zu viele rollende Gartenlauben.
Ich suchte einen richtigen, klassischen „Zeltplatz“, einen, der irgendwie was Besonderes bietet. Doch so etwas scheint selten geworden zu sein, wie sich bald herausstellte.
Nach einigem Suchen fand ich ihn aber doch, nämlich den Zeltplatz des ASN (Amrumer Sport und Naturistenverein), mitten in den Dünen Amrums gelegen, nur für Zelte, unter endlos blauem Himmel, mit Meeresrauschen und Mövengeschrei.
Ich konnte es nicht fassen. Nur Zelten, kein WLAN, kein Kiosk, keine Autos, keine rollenden Gartenlauben auf dem Platz, keine Parzellen – und keine Klamotten! Obwohl selbst kein Naturist war mir letzteres herzhaft egal, da aufgrund mehrfacher diesbezüglicher Erfahrungen schlicht als praktisch empfunden. Und so ganz streng schien man dort ja auch nicht der reinen nackten Lehre zu folgen. Die Entscheidung war also schnell gefallen! Anfang Juni wollte ich zwei bis drei Wochen genau dort hin.
Die Vorbereitungen waren bald erledigt. Ich wollte mir ein Camp mit Zelt und Tarp einrichten. Besondere Anschaffungen waren dafür nicht erforderlich, denn in meinem Fundus war fast alles vorhanden.
Auch mein Fahrrad sollte mit, denn Amrum ist eine Fahrradinsel. An Lebensmitteln benötigte ich nur den Erstbedarf. Im nahen Wittdün würde es wohl Einkaufsmöglichkeiten geben.
Zeltplatz reservieren sollte nicht erforderlich sein, reservieren der Fähre bei der „Wyker Dampfschifffahrts Gesellschaft“ (WDR) auch nicht. Nun gut, ich vertraute einfach mal darauf. Irgendwann war die Wetterprognose gut und so ging es am 1. Juni endlich, endlich los.
Nach Amrum
Bei der WDR in Dagebüll einchecken war schnell erledigt. Allerdings kam ich nur knapp mit. Vorher Buchen ist doch die bessere Alternative, auch für die Rückfahrt.
Für meinen kleinen Polo und mich musste ich retour runde 120 € zahlen. Auf dem bewachten Parkplatz in Dagebüll wärs ab zwei Wochen teurer geworden. Also nahm ich den Wagen mit auf die Insel.
Einchecken in Dagebüll – den Fährplatz vorher buchen wäre die bessere Option gewesen Bei bestem aber kühlem Wetter bleibt Dagebüll im Heckwasser zurück Winzig klein schweben die Halligen über dem Wasser Amrum mit seinem Leuchtturm wird immer größer
Allein die knapp zweistündige Überfahrt war schon ein Genuss. Bei bestem Wetter gings nah an Föhr vorbei und in der Ferne schwebten die flachen Buckel der Halligen über dem silbrigen Wasser. Dann endlich kam der langgestreckte Walrücken Amrums mit dem markanten Leuchtturm in Sicht. Mein „Island of Desire“.
Vom Fähranleger Wittdün waren es nur ein paar Kilometer bis zum Campingplatz und dort begrüßte mich total nett Ulrike, Verwalterin und guter Geist des Platzes. Sie gab mir gleich viele gute Tipps für den Aufenthalt und riet mir, mein Zelt im „Vorgarten“ aufzubauen. Ein guter Rat, wie sich später heraus stellte: Windgeschützt, nah am Waschhaus und vor allem kaum Mövengeschrei. Dank des Platzplanes im Web und einiger Luftbilder hatte ich mir allerdings vorher schon eine gewisse Vorstellung verschafft.
Also zurück zum Auto, alles in einen der Bollerwagen am Empfang gepackt, zu meinem Claim transportiert, abgeladen und zurück. Dann noch den Wagen zum platzeigenen Parkplatz an der Hauptstraße gefahren und mit dem Fahrrad zurück zum Platz.
Endlich war ich also angekommen! Doch an Muße war noch nicht zu denken. Die finde ich unterwegs immer erst, wenn alles fertig aufgebaut und eingerichtet ist. Vorher ist an Entspannen nicht zu denken.
Also erst mal das Camp aufbauen. Zum Glück hatte ich lange Häringe für den Sand dabei, sonst wärs schwierig geworden. Doch dann standen zunächst das Tarp und anschließend auch das Zelt. „Möblierung“ und „Kücheneinrichtung“ waren nur noch ein Klacks. Gerade die Küche ist mir wichtig. Ich lebe zwar einfach aber gutes Essen möchte ich schon haben.
Irgendwann – endlich – kehrte Ruhe ein. Ich saß mit meinem Aufbaubier unter dem Tarp, lauschte dem leisen Säuseln des Windes über den fransigen Dühnenbuckeln, mein Blick streifte über das weite Auf und Ab des Sandes und verlor sich schließlich im endlosen penatenblauen Himmel.
Der Eingang zum Platz Der Transport des Gepäcks erfolgt solchen und ähnlichen Bollerwagen … … von denen es hier etliche gibt. Die sind auch notwendig! Mein Platz für die kommenden drei Wochen Der „Küchentrakt“ Ich hab gern alles in Griffweite Das Handtuch flattert unterm Tarp zum Trocknen Jetzt erst mal ein Nickerchen. Ausreichend Sonnenschutz ist in den Dünen ein Muss! Amrum-Himmel wie man sich ihn wünscht Das Wahrzeichen Amrums von meinem Zeltplatz gesehen
Der Zeltplatz
Der Zeltplatz des ASN ist ein wahrhaftig einzigartiges Juwel für richtige Zeltcamper, das mitten in einem Naturschutzgebiet liegt. Ich fühlte mich dort gleich gut aufgehoben und man findet auch schnell Kontakt zu anderen Campern. Zeltplatz-Prolls, eine oft auf normalen Campingplätzen beheimatete Spezies, gabs hier nicht. Kein Gegröhle, keine Saufgelage und auch keine laute Musik. Richtig Lärm machten aber die Möven an einigen Stellen des Platzes und wer da empfindlich ist tut gut daran, sich bezüglich seines Stellplatzes von Ulrike beraten zu lassen.
Hier residiert Ulrike, die Platzverwalterin Das Waschhaus aus Holz soll im Herbst durch einen Neubau ersetzt werden Das Gemeinschaftszelt mit Fahrradständern. Davon gibts noch mehr Der Weg zur alten Posthütte Blick von oben auf das Spieletal Hoch oben im Dünenwall. Er ist erstaulich zerklüftet Auf dem riesigen Kniepsand. Blick zurück auf den unvermeidlichen Leuchtturm Links und … … rechts keine Menschenseele … … und weiter zum Spieletal Rückweg von der alten Posthütte mit Blick auf das Gemeinschaftszelt und das Waschhaus Die Tiere des Platzes sind nicht bedroht und wissen es Man kann nahe an sie heran Den brütenden Möven konnte ich mich bis auf einen Meter nähern Kaum sichtbare Mövenküken flitzen überall herum Die Teller stehen bereit für die Pasta – Gemeinschaftsessen nach getaner Gemeinschaftsarbeit Liebevolle Dekoration … … eingedecktes Geschirr Das ist ein Foto wert. Den tollen Geschmack des Essens konnte man leide nicht fotografieren
Trotz allem fand ich auch Geselligkeit bei teilweise exzellentem Gesang (Danke, Julia!) und tollen Gitarrenspielern. So feierten nach Pfingsten „die auf der Insel zurück Gebliebenen“ mit üppigem Salatbuffet oder es gab ein Belohnungsessen (Pasta mit einem fantastischen Ruccola-Pesto – Danke, Frauke!) für die fleißigen Gemeinschaftsarbeiter, die das Waschhaus gründlich geputzt hatten oder aber die Spielgeräte für die TÜV-Abnahme ausbuddelten. Und immer wieder blieb Zeit für einen kurzen Klönschnack. Zunehmend tickten bald auch bei mir die Uhren langsamer und ich fand meinen „Amrum-Rhythmus“.
Ich darbe nicht gern ohnen Not. Hier kocht Kartoffelsuppe für zwei Tage Der Wurstsalat erfreute einige veganisierte Männer beim Buffet Auch leckere Kartoffelpuffer gabs. Die brauchten nur viel Spiritus
Wetter auf Amrum
Die ersten Tage gabs nach sonnigem Wetter gleich kräftigen Sturm und dabei lernte ich ihn so richtig kennen, den Sand von Amrum. Getrieben vom Wind schlich er sich durch jede noch so kleine Ritze, puderte alles ein. Egal was ich aß, es knirschte immer zwischen meinen Zähnen. Meine ansonsten immer bewährten Klappkisten taugten hier nicht viel. Sie sammelten den Sand förmlich. So lernte ich also auf die harte Tour, dass für Amrum sanddicht verschließbare Packkisten schlicht die bessere Wahl sind.
Mein Zelt wurde stundenlang brutal gerüttelt und von den Böen in seiner Verankerung hin- und hergerissen, doch es hielt stand. Zum Glück hatte ich wirklich jede Sturmleine meines Exped Orion Extreme straff mit Sandhäringen verspannt. Auch dem Starkregen trotzte es, der zeitweise in Unmengen auf das Zeltdach prügelte, doch sogleich vom Sandboden vollkommen aufgesogen wurde.
Das Tarp peitschte permanent knallend, hielt jedoch stand. Trotzdem fiel es am zweiten Sturmtag um. Zwei der 32 cm langen Holzhäringe hatte es herausgerissen. Eine Folge schlampiger Aufbauarbeit. Dem Tarp selbst geschah nichts. Zwei Tage vor dem Ende meines Urlaubs riss es jedoch an einer Schlaufe ein. Ich konnte es zwar provisorisch flicken, aber nach 16 Jahren war es einfach morsch geworden. Es hatte seinen Dienst mehr als getan! Am Schluss wanderte es in die Mülltonne.
Dieser Sturm riss einige Zelte nieder, deren Bewohner dann mitten in der Nacht in der alten Posthütte Zuflucht suchen mussten.
Bei anderem Wetter legen die Hühner ihre Eier im Fliegen … Das Tarp hatte den Sturm ausgehalten. Ein paar schlampig eingeschlagene Häringe waren Ursache des Malheurs. Sand überall. Zum Glück hatte ich die Lebensmittel in Sicherheit gebracht Das Zelt sah aus wie ein sandbestäubter Gugelhupf. Eine Stunde später stand das Lager wieder
Überhaupt bietet Amrum in Bezug auf das Wetter im Sommer eine ordentliche Bandbreite auch wenn meist Sonnenschein mit einer leichten Brise angesagt ist. Von brennender Hitze ohne einen Lufthauch, dann wieder gewaltige Gewitter mit heftigen Regenstürmen bis hin zu orgelnden Orkanen, die offenkundig alles auf der Erdoberfläche fortreißen wollen – und diese selbst auch. Zelter sind gut beraten, grundsätzlich sturmfest aufzubauen, dabei lange Sandhäringe zu nutzen und lieber eine Sturmleine mehr als zu wenig zu spannen. Egal, wie toll das Wetter beim Aufbau ist. Gut sind Plätze, die durch Dünen Windschutz nach Norden und Westen bieten.
Die Insel
Irgendwann begann ich dann natürlich mein Umfeld zu erforschen. Den Zeltplatz an sich zu erkunden ist schon eine ziemliche Entdeckungsreise und im lockeren Dünensand mit einiger Anstrengung verbunden. Ich muss gestehen, den Platz nur zum Teil gesehen zu haben.
Interessant ist jedoch der westliche Teil. Hier schiebt sich ein mächtiger Dünenwall zwischen den Platz und den Kniepsand, über den zwei Zuwege zum Strand führen. Der feine weiße Sand fließt fast wie Wasser und als ich nach mühsamen Gekraxel endlich dieses Minigebirge erstiegen hatte, war ich erstaunt über die teilweise wilde Zerklüftetheit des Dünenmeeres um mich herum und die Weitläufigkeit des Zeltplatzes. Auf den bekannten Fotos kann man dies nicht einmal erahnen. Und wie fast überall auf der Insel fällt der Blick auf das Wahrzeichen Amrums, diesen spargeligen Leuchtturm in seinem rot weißen Sträflingsanzug.
Auf der anderen Seite führt dann der Weg hinunter zum Kniepsand, der hier FKK-Strand ist. Als ich zum ersten mal dort stand, war ich sprachlos von dieser scheinbar grenzenlosen Weite. Und in beide Richtungen geschaut entdeckte ich an diesem bedeckten, windigen Tag nicht einen einzigen Menschen! Ich fühlte mich wie „der Marsianer“.
Ich war mehrfach hier und habe auch in der Nordsee gebadet. Zu meiner Überraschung war das Wasser im Juni schon recht angenehm – wenn auch nicht gerade warm zu nennen
Unterwegs an der Ostküste. Hinter mir liegt Wittdün … … und vor mir Steenodde Hin und wieder wird man jedoch daran erinnert, dass hier nicht nur immer eitel Sonnenschein ist Wildrosen sind das Gewächs dieser Gegend Reetgedeckte Häuser ducken sich in der steifen Brise Selbst davon gibt es zwei auf Lummerland Die Kirche von Nebel mit … … ihrem sehenswerten Friedhof Einige dieser kunstvollen Grabmale … … stammen noch aus Mitte 1500
Verkehr auf Amrum
Auch die anderen Bereiche der Insel schaute ich mir natürlich an. So klein Amrum ist, bietet es doch eine Menge.
Die Verkehrsführung der Insel ist einfach. Von Nord nach Süd führt eine Hauptstraße, von der links und rechts wie bei einer Fischgräte Straßen abgehen. Verfahren kann man sich kaum und sollte man trotzdem einmal im Watt, im Wasser oder im Dünensand stehen, dann hat man sich vermutlich unnötigerweise und tumb auf sein Navi verlassen.
Warum denn Auto fahren? Amrum ist doch eine richtige Fahrradinsel! Überall trifft man auf Fahrradverleihe. Viele Gäste bringen allerdings ihre eigenen Räder mit und das lohnt sich tatsächlich.
Von Wittdün bis Norddorf zieht sich die Hauptachse, größtenteils „Waldweg“ genannt, und zu beiden Seiten gibts jede Menge Querverbindungen. Ein Radfahrereldorado, in dem man zu Orten der Insel gelangt, die mit dem Auto nicht erreichbar sind.
Allerdings verführt dieses Fahrradhochgefühl manche zu riskanten Fahrweisen. Als Autofahrer sollte man klugerweise immer mit überraschendem „Radfahrerwechsel“ rechnen.
Der Wind bestimmt wie man fährt. Bei westlich bis nördlichem Winden fährt man auf dem relativ geschützten Waldweg von Süd nach Nord und auf anderer Strecke zurück. Bei östlich bis südlichen Winden eher umgekehrt. Man nutzt den Waldweg also je nach Windrichtung.
Ach ja, wer clevererweise einen Adapter mitgenommen hat kann seine Reifen bequem bei der Inseltankstelle kurz vor Süddorf aufpumpen.
Geographie
Die Geographie Amrums ähnelt der Zeichnung eines Frischlings und zieht sich in Streifen über die Länge der Insel. Im Westen liegt der mächtige Kniepsand, dann folgt der breite Dünengürtel an den in weiten Teilen der Inselwald anschließt. Dann kommt das Binnenland mit seinen landwirtschaftlichen Nutzflächen und schließlich die Ostküste mit ihren Wattflächen. Abwechselung gibts also reichlich.
Bezüglich der einzelnen Orte und Sehenswürdigkeiten möchte ich hier wenig berichten. Das findet man umfangreich und besser im Internet oder entsprechenden Führern. Nur auf die Kirche in Nebel mit ihren vielen historischen Grabmälern, die zum Teil von Mitte 1500 stammen, möchte ich hinweisen. Diesen Ort sollte man unbedingt aufsuchen.
Ich habe meine Einkäufe immer in Wittdün gemacht. Dort hat man zwei Edeka-Läden mit großem Angebot zur Auswahl. Viele Dinge sind hier aufgrund der Insellage jedoch spürbar teurer. Das eine oder andere vom Festland mitzunehmen kann da schon eine Überlegung sein, insbesondere, wenn man aufs Budget schauen muss.
Zum Schluss
Ich habe drei herrliche Wochen auf dem FKK-Zeltplatz auf Amrum verbracht. Das Wetter war meist gut mit viel Sonne und die Menschen dort waren einfach nett und freundlich. Es war schlicht angenehm und entspannt und wer kein Problem mit Nacktheit hat und gern Zeltet, für den ist dieser Ort sicherlich eine der besten Adressen. Niemand hatte dort irgendwelche FKK-missionarische Ambitionen und man wurde nicht schief angeschaut, wenn Er oder Sie mal textil herumliefen. Allerdings ist es sicher immer eine Frage des Respekts, dass man die allgemeinen Gepflogenheiten der Gemeinschaft dort achtet.
Ich habe mich absolut wohl gefühlt, habe viele angenehme Erinnerungen mitgenommen und werde sicher öfter dort sein. Und dann hoffe ich alle wieder zu treffen: Ulrike, Edeltraut, Herbert, Birgit (deren Namen ich verwechselte, schäm), Gerd, Frauke, Regine, Horst, Katja, Bea, Otto, Julia, Christa, Meggie und all die anderen, deren Namen leider meinem löchrigen Namensgedächtnis entfallen sind. Asche über mein Haupt …
Edit 08.09.2019
Inzwischen wurde auf dem Platz ein neues Waschhaus durch die Gemeinde gebaut.
Eine Antwort auf „Sand zwischen den Zähnen – Camping auf Amrum“