In Frankreich gibt es keinen Senf in Tuben!

Zwei Monate sind Claudia und ich durch dieses weite und abwechslungsreiche Land gereist. Dabei haben wir einige Erfahrungen gemacht, die vielleicht anderen bei der Vorbereitung/Planung ihrer Radreise helfen können. Dieser kleine Bericht handelt davon. Er gibt nur unsere ganz subjektiven Beobachtungen wieder.

1. Die Menschen

Da gibt’s nicht viel zu sagen. Die, die wir trafen waren freundlich, aufgeschlossen, sehr hilfsbereit und wirkten meist recht entspannt. Wirklich schlechte Erfahrungen machten wir nirgends. Probleme wurden kreativ und eher unkompliziert gelöst.

Er bereitete seine Crêpes mit Hingabe

Wir hatten beide vor der Reise noch unsere etwas verschütteten Schulkenntnisse an der VHS aufgefrischt und das war gut so. Ich stellte immer fest, dass meine französischen Gesprächspartner recht wohlwollend meine meist unzulänglichen Bemühungen in ihrer Muttersprache honorierten und sich ihrerseits nach besten Kräften um Verständigung bemühten.
Was ich nie erlebte war, dass sich jemand standhaft weigerte sich mit mir anders als in einigermaßen brauchbarem Französisch zu verständigen. Derartiges wird hierzulande immer mal wieder gern kolportiert, gehört aber m.E. zumindest inzwischen ins Reich der Legenden. Sollte es vorkommen, dann dürfte es sich um Einzelfälle handeln.
Wir beide haben uns also bei den Franzosen und mit ihnen äußerst wohl gefühlt!

2. Radfahren in Frankreich

Das Fahrrad hat in Frankreich ganz offenkundig eine enorme Bedeutung. Es ist ein Teil französischer Lebensart und nach meiner Meinung auch der Kultur. Fast immer hellten sich die Mienen unserer Gesprächspartner noch mehr auf,

Der “Partydampfer“ in voller Fahrt!

wenn sie hörten, dass wir Frankreich per Vélo bereisten. In Moissac erhielten wir deshalb sogar ermäßigten Eintritt für den dortigen Kreuzgang.
Der Fahradverkehr ist nach unserer Einschätzung intensiver als hierzulande und insbesondere an den Wochenenden ist man gern auf Rennmaschinen unterwegs, ein Volksport also. Interessant war für uns jedoch, dass augenscheinlich immer mehr Franzosen das Radwandern für sich entdecken. Oft noch mit alten Packtaschen aus Stoff, zunehmend jedoch auch mit Ortliebs, die sich offenkundig zu einer Art internationalem Standard entwickeln. Wir trafen viele von ihnen und in allen Gegenden. Das Radwandern dort im Land wenig bedeutend sein soll, kann man noch unserer Beobachtung heute nicht mehr so sagen.
Die Radfahrer sind auch ausgesprochen freundliche Leute. Allgemein grüßt man sich mit einem freundlichen “Bon jour“, hebt grüßend die Hand oder nickt zumindest erkennbar. Selbst Leute auf Rennmaschinen grüßen den gemeinen Radwanderer – bei uns schauen die uns nicht mal mit dem Allerwertesten an.
Überhaupt schien uns der Straßenverkehr in La France deutlich entspannter und unaufgeregter abzulaufen als daheim. Autofahrer waren uns gegenüber ausgesprochen rücksichtsvoll, hielten Abstand und drängelten auch nicht. Nur zweimal wurden wir auf Landstraßen gefährlich nah überholt. Ausweislich der Nummernschilder beide male aus? … Stimmt, genau richtig vermutet!
Als wir bei der Rückfahrt in Dijon auf einer Bushaltestelle gerade unsere Räder auf dem Heckträger montierten kam der Bus. Der Fahrer wartete geduldig bis wir den Platz – nun natürlich sehr zügig – geräumt hatten. Kein Gehupe oder drängelndes dicht Auffahren. Wir würden schon weggehen. Ich hab mir nur dieselbe Situation in Lübeck vorgestellt …
Die Führung des Radverkehrs in Ortschaften und Städten ist meist bemerkenswert gut. Claudia, die zunächst Bedenken wegen des voll bepackten Rades hatte und daher auch etwas ängstlich war, durchquerte später die Städte wie selbstverständlich. Wo immer es ging schuf man für Velos deutlich gekennzeichnete eigene breite Radstraßen oder legte zumindest breite Spuren auf den Fahrbahnen an. Dafür wurde zuweilen auch der Platz für den Autoverkehr eingeschränkt. Einmal

Kreisverkehr für Fahrradwege!

kamen wir z.B. über eine Brücke, die man für den Autoverkehr mittels Ampel für den Autoverkehr auf eine Spur zurück gebaut hatte. Die andere diente nun ausschließlich dem Radverkehr. Wir fuhren mehrfach über richtig große Brücken, die einzig für Fahrradstraßen gebaut wurden. Den Vogel schoss südlich der Girondemündung ein Kreisverkehr exklusiv für fünf Radwege ab. Dass viele Einbahnstraßen zudem gegen die Verkehrsrichtung befahren werden dürfen bedarf da eigentlich kaum noch der Erwähnung.
Überall sahen wir das typische Grün des Programmes der “Voies Vertes“, dass im ganzen Land und stellenweise mit rasendem Tempo umgesetzt wird.

Straßen für Fahrräder, die „Voies Vertes“

Dieses Grün und die überall vorhandenen Velo-Piktogramme zeugen von dem ganz anderen Stellenwert, den das Rad hier besitzt.
Eingebettet in die Voies Vertes sind natürlich das Netz der Eurovelos (EV) und die touristischen Radnetze der Regionen. Die EV sind unterschiedlicher Qualität, aber ihre Beschilderung war wesentlich besser als angenommen bis hin zu ausgezeichnet. Meist kamen wir ohne Navi aus. Der EV von Mulhouse bis Chalon-sur-Saone war prima. Hinter Chalon gab es keinen fuhren wir wegbedingt mit der Bahn bis Valence. Entlang der Rhône wars wieder prima und auch am Mittelmeer. Der Weg am Kanal du Midi ist kein EV und teilweise schwierig bis gefährlich. Wir nahmen von Carcassonne wieder den Zug bis

Der Weg war z.T. nicht so toll, aber die Beschilderung war wie überall nahezu perfekt

Toulouse. Ab dort wars am Canal de la Garonne wieder prima. Auf dem EV 1 fuhren wir von Arcachon die Atlantiküste hinauf bis St. Nazaire. Oft waren die Wege gut bis sehr gut, z.B. von Cap Ferret durch die Landes bis zur Girondemündung, manchmal auch weniger gut. Der EV 6 an der Loire ließ sich dann wieder gut fahren. Manchmal stießen wir auf neue Wegführungen der EV, die selbst in unseren aktuellen elektronischen Karten noch nicht eingepflegt waren. Dann folgten wir einfach der Beschilderung.

Der schönste und abwechselungsreichste Wegabschnitt war für uns, mit kleinen Ausnahmen, um Rochefort und hinter der Isle de Noirmountier, der am Atlantik. Und da hat uns wiederum die Vendée am positivsten überrascht.
Ein weiteres Indiz für die Fahrradfreundlichkeit des Landes ist darüber hinaus die unentgeltliche Mitnahmemöglichkeit von Fahrrädern in den TER-Zügen. Und dafür gibt’s in denen meist sogar richtig Platz.

Ein kleiner technischer Hinweis zum Schluss für diejenigen, die sich gerne den erforderlichen Luftdruck für ihre Pneus an der Tanke holen: Nach meiner Erfahrung fangen die Kompressoren dort so ab 4,5 Bar heftig an zu schwächeln. Meine bevorzugten 6,0 Bar erreichte ich nirgends.

3. Campingplätze

Auf unserer Tour haben wir die kleinen, oder zuweilen etwas größeren, Municipals schätzen gelernt. Sie waren einfach und sauber, hatten aber meist alles, was

Die schnuckelige kleine Rezeption des Municipals war mir einfach ein Foto wert

wir brauchten, oft bis hin zu ordentlichem gratis WiFi (WLAN). Vor allem aber gabs meist brauchbare Zeltwiesen. Und das alles immer für wenig Geld. Manches Mal kostete die Übernachtung für uns beide gerade mal 8 Euro. Kassiert von immer freundlichen Angestellten, die den Platz verwalteten und uns auch noch manche wertvolle Info gaben.
Bei den kommerziellen Plätzen, insbesondere im Süden, mussten wir auch schon mal 36 oder 38 Euronen für zwei Personen bezahlen. Das war dann schon happig, zumal für Internet extra bezahlt werden sollte. Wenigstens gabs aber nirgends diese blödsinnigen Duschmünzen o.ä. – ein Segen!

Unser Platz an der Düne von Pilat mit phantastische Sicht auf Meer und Düne

Auf diesen Plätzen waren wir mit unseren Zelten eher die Exoten, denn sie waren voll gestellt mit Mobil-Homes, Campern und Wohnwagen.
Im Süden und am Atlantik gabs keine schöne Zeltwiesen mehr auf den Plätzen. Sand garniert mit Piniennadeln war angesagt. Im Norden runzelten wir bei etwas lückenhaften Rasenflächen schon mal die Stirn, im Süden freuten wir uns später schon über ein paar Grashalme. Längere Häringe sind in diesen Gegenden eine wirklich gute Idee.

Rezeption des schönsten Platzes bei Nantes

Klobrillen und/oder Klopapier gibts oft nicht. Unsere Erfahrung: Je weiter im Süden um so weniger. Oft gabs auch nur Unisex-Toiletten und wenn dann auch noch keine Pissoirs für die Männerwelt da waren, dann war manche unbebrillte Kloschüssel unfein bekleckert, worüber sich Claudia immer wieder zu Recht beklagte.
Merke also: Solange die Toilettenlage nicht hinreichend geklärt ist, gehört eine Rolle Klopapier für die Erstbesteigung des Thrönchens auf einem Campingplatzes zur unbedingt notwendigen Ausstattung!
Und das man sich nicht fürs Geschäft auf die Porzellanschüssel stellen sollte, schien auch nicht immer bekannt. Im Süden deuteten jedenfalls zuweilen entsprechende Aushänge darauf hin.

Einfach klasse, Ladestation für Akkus. Manche Municipals waren besser aufgestellt als gewerbliche

Wir navigierten und kommunizierten mit Smartphones und waren daher auf Lademöglichkeiten für die Akkus angewiesen. Gesicherte solche fanden wir nur einmal auf dem Municipal in Rochefort. Ansonsten mussten wir die Steckdosen der Waschhäuser nutzen. Dort luden wir natürlich nur unsere Akkupacks, die wir extra für diesen Zweck mitnahmen. Tatsächlich wurde auch jedem von uns so ein Ding nebst USB-Lader + Kabel geklaut und beide Male hatten wir vorher so ein komisches Gefühl im Bauch, als wir sie im Waschhaus anschlossen. Unsere Erfahrungen: Auf größeren Plätzen mit viel Betrieb und dann noch am Wochenende wird wohl eher geklaut. Nutzen sollte man Steckdosen an möglichst schlecht einsehbaren Plätzen und möglichst in nicht so stark frequentierten Bereichen wie Durchgängen. Waschkabinen und z.B. Bügelräume sind besser. Das alles garantiert natürlich nichts, verringert aber die Wahrscheinlichkeit eines Diebstahls.
Die fast auf allen Plätzen reichlich vorhandenen blauen Steckdosen nach Campernorm waren für unseren normalen Stecker leider nicht nutzbar. Wir träumten zuweilen von einem kleinen, handlichen und leichten Adapter. Es gibt

Esszimmer mit Meeresblick

Adapter, aber leider nur sehr klobige und schwere. Auf einigen Campingplätzen fanden fanden wir zum Glück noch alte Camperanschlüsse mit normalen Steckdosen. Das war für uns immer ein wenig wie Weihnachten.

Auch auf fast allen Campingplätzen bekamen wir auf Nachfrage Tisch und Stühle, wenn keine anderen Sitzgelegenheiten vorhanden waren. Ich kann leider nicht mehr auf dem Boden sitzen da Handicap.

4. Einkaufen

Fisch und Meeresfrüchte in reichhaltigem Angebot

Lebensmittel sind schon spürbar teurer als in Deutschland. Man bekommt in den Supermärkten fast alles, was es auch hierzulande gibt. Fleisch und Gemüse sind vergleichbar, bei Wein, Käse und insbesondere frischem Fisch und Meeresfrüchte ist das Angebot oft deutlich größer. Leider können Radwanderer das meiste davon gar nicht nutzen. Seufz …
Was ich partout nicht fand waren Senf in Tuben, der für den Radtransport besser geeignet ist, und zunächst auch kein Chilli. Chilli heißt in Frankreich nämlich Piment, wie ich später heraus fand.

Kleiner aber feiner Utile auf dem Land

Radfahrer verwenden gern Pasteria-Fertiggerichte oder auch Marmelade, Kondensmilch oder Brotaufstriche in kleinen Gebinden. So etwas fanden wir nirgends. Dafür allerdings überall komplette vorgekochte Fertiggerichte für die Mikrowelle, die recht gut schmeckten und vor allem ungekühlt haltbar waren. Die machte ich im Trangia warm und sie waren für mich meistens vollkommen ausreichend. Allerdings waren sie etwas unhandlich und schwer.
Supermärkte gibt es von den kleinen Utiles und Casinos bis hin zu gigantischen Kauffabriken namens Leclerc, Hyper-Intermarche oder Hyper-

Das Angebot des Marktes verlockt zum Kaufen …

Utile. Und wenn ich gigantisch schreibe, dann meine ich es auch genau so! Die Dinger erschlagen einen förmlich mit einem Überangebot und sind derart groß, dass man sich durchaus mal verlaufen kann.
Wer es dann gerne etwas heimatlicher möchte, der hat sicher an der zunehmenden Präsenz der Lidl-Märkte seine Freude. Französische Wochenmärkte und Markthallen ließen wir uns nie entgehen. Dort findet man die speziellen Genüsse der Region und sie sind ein Fest für die Sinne.

Seufzzz…

Auch nicht ganz unwichtig für Reisende mit Rad und Zelt sind die vielen Decathlons, die es in fast jeder größeren Stadt gibt. Als Claudias Expedmatte delaminierte war sie recht froh, dass es z.B. in Arles einen gab.

An der Kasse sind die Einheimischen geduldig und man sollte es auch sein. Drängeln, genervtes

Frische Austern? Kein Problem!

Augenrollen oder “Wird’s bald mal was!“ Kommentare erlebten wir nie. Wenn jemand sich mal etwas tüffelig beim Einpacken oder mit dem Wechselgeld anstellte, dann nahm man es gelassen. Was mich allerdings wirklich nervte waren die meist viel zu kurzen Laufbänder an den Kassen.
Unsere NaviApps (Locus Map Pro/OpenAndroMaps für Android, Naviki für den angenagten Appel) zeigen u.a. auch zuverlässig Einkaufsmöglichkeiten an. Apps, die so etwas können, sind absolut zu empfehlen, selbst wenn man ansonsten nicht elektronisch navigiert. Sie können viele unnötige Wege ersparen.

5. Bahn fahren

Wir nutzten einige Male Bahnverbindungen der SNCF, um z.B. unattraktive Streckenabschnitte zu überspringen oder am Schluss bei der Heimreise. Wir fuhren dann ausschließlich mit den Regionalzügen, TER, denn die schnellen TGV nahmen keine Fahrräder mit.

Zugtransport nach Valence. Man beachte die rustikale Fahrradsicherung des französischen Velos

Die Fahrradmitnahme war immer kostenlos und in allen Zügen gab es mehrere Fahrradabteile. Außer bei viel Betrieb konnten wir die Räder sogar komplett mit Packtaschen abstellen. Die meisten Züge waren mit modernen Niederbordwaggons ausgestattet. Die Räder wurden ohne Mühe einfach hinein und hinaus geschoben. Nur einmal erwischten wir noch eine alte Zuggarnitur mit hohen und schmalen Zustiegen. Da war dann Zirkeln angesagt und dabei half sogar der Schaffner! Da mehr Räder mit sollten, als eigentlich Stellplätze vorhanden waren, nutzte er jede Lücke und irgendwie ging es dann auch. Alle kamen mit. Bei uns wäre vermutlich die Hälfte der Radreisenden belämmert auf dem Bahnsteig stehen geblieben.
Die SNCF hat in den letzten Jahren offenbar richtig Geld in ihre Infrastruktur gesteckt. Fast alle Bahnhöfe, die wir sahen, waren in gutem Zustand und meist modernisiert. Das dabei zugrunde gelegte Konzept offener, lichter Räume mit aufgelockerten inneren Strukturen gefiel uns sehr gut. Vielfach gab es attraktive Wartebereiche, oft mit WiFi und Lademöglichkeiten. Nur einen Forumslader nebst USB-Booster mit den vielen blinkenden LEDs sollte man nicht „nackt“ auf den Tisch zum Laden legen. Die Sicherheitskräfte in Lyon waren recht nervös und musterten mich und das Gerät zutiefst misstrauisch. Terrorwarnstufe! Ich hatte es vergessen und bastelte schon an einer Erklärung.

Er spielte ganz ausgezeichnet

Toll fanden wir, dass in größeren Bahnhöfen Klaviere zur allgemeinen Benutzung aufgestellt waren. Fast immer saßen daran irgendwelche Reisenden, deren oft tolles Spiel durch die Hallen schwebte.
Die Bahnhöfe, die wir sahen, waren sehr sauber und gepflegt. Drecklöcher, wie z.B. nach Art des Hamburger Hauptbahnhofs, sahen wir nicht. Auch trieben sich dort kein zwielichtiges Volk oder Besoffene herum. Da scheint es eine Art “Null Tolleranz“ Politik zu geben. Wir fühlten uns jedenfalls recht wohl und sicher.
Die Fahrkartenautomaten sind übrigens erstaunlich einfach bedienbar.
Die Wege von und zu den Bahnsteigen waren selten barrierefrei, jedoch gelegentlich mit Rampen, Fahrstühlen oder Rolltreppen ausgestattet. Nur wenige Male mussten wir die Räder Treppen hinauf tragen, aber oft die Treppen hinunter rollen, was nicht so ganz einfach ist.
Und nun, Kunden der Deutschen (Bummel)Bahn, bitte nicht erschrecken: Züge der SNCF fahren erstaunlich pünktlich! Selbst in Streikzeiten! Ein schon fast vergessenes Bahnreise-Feeling.

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