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Das „Schneckchen“ erhielt seinen Namen von einem etwas frechen und doch auch lieben Frauenzimmer und deshalb blieb es dabei. „Es sei ja halt vergleichsweise gemächlich und trage nun mal auch ein Häuschen auf dem Rücken.“ Das reichte wohl für die Namensfindung.
Schneckchen ist ein Corona-Kind. Im Frühjahr 2020 ahnte ich irgendwie, dass uns Covid-19 noch einige „Freude“ machen würde. Auch aus dem Grund begann ich das Projekt Mini-Camper. Mit diesem Gefährt, so dachte ich im Frühjahr noch optimistisch-naiv, wollte ich dann im Herbst zur ersten Tour aufbrechen. Doch alles kam dann ganz anders. Corona wütete, verhinderte erfolgreich die beabsichtigte Herbsttour und ich ließ frustriert kurz vor vor Fertigstellung des Ausbaus erst mal die Werkzeuge aus der Hand fallen.
Sommer 2021 dann ergab es sich, dass sich vier Enthusiasten, darunter ich, aus dem HDK-Forum spontan verabredeten, Mitte September irgendwo zusammen zu kommen. Wir wollten u.a. unsere Ausbauten anschauen und vielleicht auch ein paar Inspirationen aufsammeln. Für mich war das anstehende Treffen „a kick in the ass“, mein Projekt endlich fertig zu stellen. Das ging dann auch überraschend schnell vonstatten, denn viel war ja tatsächlich nicht mehr zu tun. Über all diese Dinge habe ich hier ja bereits an anderer Stelle berichtet. Doch was ist ein recht schön anzusehender Mini-Camper Ausbau ohne den Nachweis seiner Praxistauglichkeit schon wert?
Vor dem Treffen wollte ich für mich selbst diesen Nachweis unbedingt mit einer längeren Tour erbringen. So ergab es sich, dass ich von Mitte August bis Mitte September zum ersten Mal mit dem Schneckchen auf eine längere Reise ging.
Schwäbisch-Fränkischer Wald bei Backnang
Dabei folgte ich keinem festen Plan, nur einer groben Richtung: Süd!. Ich besuchte einige Freunde und steuerte meist spontan Ziele an, die mich interessierten. Zunächst startete ich von Lübeck Richtung Schwäbisch-Fränkischer Wald in der Nähe von Backnang im Ländle. Meine gute Freundin Claudia, beste Gefährtin vieler Touren zu Fuß, mit dem Rad oder dem Faltboot, hatte Geburtstag und ich campierte vor ihrer Garage.
Darüber gibt es eigentlich nichts besonderes zu berichten, außer, dass ich zum ersten mal die Standheizung ausgiebig testete. Sie funktionierte bestens und für mich, der viele Jahre lang meist im (oftmals feucht-klammen) Zelt gewohnt hatte, war es die reinste Offenbarung, wie jetzt leise rauschend herrlich warme Luft aus den Warmluftdüsen ins Auto strömte und die beschlagenen Fenster in kürzester Zeit klar wurden.
Claudia und ich beabsichtigten, mit unseren Fahrzeugen zu Freunden nach Kärnten an den Weißensee zu fahren und dort zu Campen. Doch das Wetter war nicht vielversprechend und ihre Tochter Helen wollte unbedingt noch einmal Sonne tanken und in warmen Wasser baden.
Weißensee
So wurde aus Österreich schließlich Kroatien und ein Abstecher an den Weißensee auf dem Weg dorthin dauerte eine Nacht. Ich campierte dort auf dem C-Platz in Oberdorf. Ehrlich gesagt wäre Urlaub in so einem Ort nicht mein Ding. Es war durchaus alles bestens in Schuss und sehr gepflegt. Ich mag aber die irgendwie immer gleiche, alpenländisch aufgebrezelte Atmosphäre dieser typischen Tourifestungen im Gebirge und die professionell glatte Beflissenheit der dort im Tourismus Beschäftigten nicht. Ich habs lieber bodenständig. Der See selbst ist jedoch recht idyllisch und die Landschaft herum auch.
Nach einem wunderbaren Abend mit unseren Freunden fuhren wir am nächsten Morgen getrennt weiter nach Kroatien.
Camping Orsera, Vsar, Kroatien
Dank Google-Maps und ähnlichem sind derartige Fahrten heute ja kein Problem mehr. Für Überraschungen sind sie jedoch immer noch gut. Hatte mir Maps noch Tags zuvor die von uns ursprünglich beabsichtigte Route über Slowenien angezeigt, so erschien auch diesmal der übliche blaue Lindwurm auf dem Display. Ohne einen weiteren Blick darauf fuhr ich los. Doch nach einiger Zeit hatte ich irgendwie das Gefühl, dass etwas nicht stimmte während ich weiter auf der Autobahn rollte. Und plötzlich war ich in Italien! Schei…! In Coronazeiten beschleicht einen da schon ein beunruhigendes Gefühl. Hatte ich doch für die Rückfahrt über Italien ein ellenlanges und umständliches EU-Onlineformular ausfüllen und -drucken müssen. Es half nix, Augen zu und durch, zumal nirgendwo irgend etwas kontrolliert wurde. So rollte ich durch das Tal des Tagliamento gen Triest und war bald an der slowenischen Grenze hinter Triest.
Hier erlebte ich, was heute in Europa kaum mehr statt findet: Eine Grenzkontrolle! Ich zeigte meinen Personalausweis und musste zum ersten und letzten mal auf dieser Reise auch mein Impfzertifikat vorweisen.
Das Stück durch Slowenien war nur kurz und bald reiste ich problemlos und unkontrolliert in Kroatien ein. Auf richtig guten Straßen ging es nach Vsar in Istrien, wo ich auf dem C-Platz Orsera wieder auf Claudia und Helen traf, die nur kurz zuvor aus Richtung Lubjana angekommen waren.
Wir hatten recht lange gesucht bis wir uns schließlich für Orsera entschieden hatten – und diese Entscheidung bereuten wir nicht! Der Platz ist groß, aber nicht riesig. Besonders schön ist jedoch der umfangreiche alte Baumbestand, der in der kroatischen Sonnenhitze für wohltuende Beschattung sorgt. Allerdings kann von dort auch recht oft Vogelscheiße auf Autos und Zelte klatschen. Der Schatten war uns jedoch wichtiger.
Es gibt in Orsera keine dieser rummeligen „Attraktionen“ und dementsprechend war es zu unserer Zeit in der zweiten. Augusthälfte wohltuend ruhig und ausgelassenes Kindergeschrei stört uns nicht.
Dank der Parzellenaufteilung konnten wir uns zusammen auf einen Stellplatz stellen und für die Zelte und mein Tarp war genügend Platz.
Strand, auch Kieselstrand gibt es dort nicht. Uns störte das nicht, denn durch die vielen Zugänge in der Ufermauer war Baden im herrlich klaren Wasser problemlos möglich. Das Wasser dort ist übrigens deutlich salziger als in der heimatlichen Ostsee. Ich konnte mich auf den Rücken legen und schwamm wie eine Luftmatratze.
Das Schneckchen erwies sich bei diesem ersten größeren Einsatz in jeder Hinsicht als funktionstüchtig. Meine Küche versorgte uns drei und immer gekühlte Getränke waren auch nicht zu verachten. Vor längeren Abwesenheiten konnte ich die Heckklappe mit dem Shelter einfach zumachen und das Fahrzeug komplett verschließen. Geschlafen habe ich darin ganz ausgezeichnet.
Vsar selbst und einen großen Supermarkt am Ortsrand kann man vom Platz aus gut zu Fuß erreichen. Das beste war allerdings ein Stand auf dem Platz, bei dem wir Obst und Gemüse aus der Region kaufen konnten. Frische Feigen, Trauben, Tomaten, Melonen usw. aus der Region – einfach nur lecker!
Zu empfehlen ist eine Bootsfahrt via Limsky-Canal nach Rovinj und zurück. Wir haben dafür inklusive Mittagessen rund 30 € pro Person bezahlt. Den Hafen erreicht man zu Fuß.
Rovinj ist sehenswert. Eine Altstadt, wie ich sie mir bei Städten an dieser Küste vorstelle: Verwinkelt, pittoresk und voll quirrliger Geschäftigkeit. Ich habe mich einfach treiben lassen, den Ausblick hoch oben von der Kirche auf die Küste genossen und herrlichstes Eis geschleckt. So schaue ich mir Städte an. Ich sauge ihre Atmosphäre ein.
Es waren ruhige, entspannte Tage. Angefüllt mit Lesen, Baden und Essen kochen.
Am 1. September trennten sich jedoch unsere Wege. Claudia wollte noch etwas bleiben und dann weiter zu den Plitvicer Wasserfällen, ich wollte mir Venedig ansehen. Auch so eine dieser spontanen Entscheidungen.
Camping Miramare, Lido di Jesolo, Venedig
Die Fahrt nach Venedig war unspektakulär, ja fast langweilig. Das vermutlich einzige Highlight verpasste ich leider. An einer engen und stark befahrenen Bergstrasse in Slowenien tauchte plötzlich ein kleiner, windschiefer Holzstand mit einem Schild „Tartuffo“ auf, da war ich auch schon vorbei. Ich vermute, dort gab es Trüffeln. Zu gern hätte ich etwas Trüffeln in meine morgentlichen Rühreier geraspelt. Doch umkehren war leider nicht möglich. Schade!
Als Ausgangspunkt für meine Streifzüge nach Venedig hatte ich mir einen kleineren C-Platz auf dem Lido di Jesolo ausgesucht, Camping Miramare. Auf einen der gigantischen Plätze an der Meerseite des Lido mit all ihrer lärmenden Geschäftigkeit und ihren „Attraktionen“ wollte ich nicht. Miramare lag auf der Lagunenseite und hatte zudem den Vorteil, nahe der Anlegestelle Punta Sabbioni zu liegen, dem Zugang vom Lido di Jesolo nach Venedig herüber. Der Platz war trotz seiner „nur“ 3 Sterne genau so, wie ich ihn mir erhofft hatte: Gepflegt, saubere Hygieneeinrichtungen, gute Einkaufsmöglichkeit und Parzellen mit altem Baumbestand – und vor allem kein Krawall.
Beim Check-In gab es noch eine kleine Überraschung. Ich erhielt für jede Übernachtung ein Retourticket für den Bus-Shuttle, der halbstündlich zum ca. zwei Kilometer entfernten Punta Sabbioni fährt und direkt vor dem Platzeingang hält. Besser geht’s kaum!
Am Abend bauten zwei Radwanderer mittleren Alters gegenüber meiner Parzelle ihr Zelt auf. Wir kamen ins Gespräch. Die beiden waren mit dem Zug und den in Venedig üblichen Wasserbussen angereist und noch recht geschafft von den Strapazen. Daniela und Gerd kamen aus der Pfalz und wollten nach Slowenien. Doch zuerst stand Venedig auf dem Programm. Über die Tage entwickelte sich eine nette Bekanntschaft mit längeren Abendgesprächen. Ich mochte die beiden sehr. Das ist es überhaupt, was ich an meiner Art des Reisens so schätze. Die Möglichkeit, interessante Menschen kennen zu lernen.
Den ersten Tag in Venedig verbrachte ich mit der Besichtigung der Stadt. Eine genauere Beschreibung spare ich mir. Diese Dinge sind in professionellen Reiseführern besser dargestellt. Aber einige persönliche Eindrücke möchte ich schildern.
Venedig ist von einer einmaligen Großartigkeit und auch voller eigenartiger Widersprüche. Ich war bei bestem Wetter dort. Nur die gedrängten Fronten der öffentlichen Gebäude und der großartigen Palazzi im klaren Sonnenlicht entlang des Canale Grande mit herrlich zu beschreiben, würde einen Mangel sprachlicher Ausdrucks- und allgemein an Wahrnehmungsfähigkeit bezeugen. Nein, diese Stadt ist in ihrer Gesamtheit einfach überwältigend. Genauso wie der antike Stadtkern Roms und doch so ganz anders.
Das Leben und der Verkehr spielen sich in für das unkundige Auge zuweilen verwirrender Geschäftigkeit auf den unzähligen Kanälen ab. Das weiß man zwar noch aus der Schule und aktuell von Donna Leon; es zu erleben, mitten da drin zu sein ist jedoch von ganz anderer Qualität. Eigenartiger Weise erschien mir die Stadt dadurch noch irgendwie lebendiger, noch geschäftiger als vergleichbar große Städte mit ihrem üblichen Autoverkehr.
Und immer wieder, wenn auch rar, tauchen beim Gang durch die Stadt überraschend kleine grüne, schattige Oasen auf. Gärten, die das Auge in diesem Meer aus Steinen und Wasser unwiderstehlich in den Bann ziehen. Weil, irgendwie erwartet man sie hier ganz und gar nicht.
Doch über allem hängt so ein morbider Charme von Verfall und Vergänglichkeit. Fast an jedem Haus findet man entsprechende Spuren. Der Putz bröckelt, Fugen werden ausgewaschen und Feuchtigkeit zieht die Wände hinauf. Das dürfte sich durch den steigenden Wasserpegel aufgrund der Erderwärmung noch verstärken.
Das die Venezianer es jahrelang zuließen, dass riesige Kreuzfahrtschiffe quasi in ihre Stadt fuhren und diese mit ihren enormen Wasserbewegungen nach und nach förmlich weg schwemmten, vom Dreck aus den Schornsteinen einmal abgesehen, kann nur mit Raffgier und Korruption an entscheidenden Stellen erklärt werden. Der zuweilen illusionslose Blick von Donna Leons Commissario Brunetti auf die entsprechenden Verhältnisse in seiner Stadt dürfte nicht allzu weit von der Realität entfernt sein.
Zum Erkunden der Stadt sind die Vaporetti das Mittel der Wahl. Diese Wasserbusse verkehren wie normaler ÖPNV anderer Städte. Ich hatte mir eine 2-Tageskarte für 30 € gekauft und konnte damit problemlos kreuz und quer durch die Stadt fahren. Absolut empfehlenswert. Mit der Linie 14 ging es immer von Punta Sabbioni zur Stadt hinüber.
Die sicherlich spektakulärste Tour führte mich mit der Linie 1 von San Marco entlang des gesamten Canale Grande und dann außen um die westlichen Stadtteile herum. Einfach sitzen bleiben bis man wieder in San Marco ist und genießen. Die Eindrücke dieses ersten Tages erschlugen mich förmlich.
Den zweiten Tag stand dann eine „Lagunenkreuzfahrt“ mit „Insel-Hopping“ per Vaporetto an. Die führte über diverse Inseln an die Ostseite der Stadt wieder bis San Marco. Hier gibt es ein Venedig, dass man mit den üblichen Postkartenansichten im Kopf überhaupt nicht vermutet. Glaubt man doch, die Stadt lebt nur vom Tourismus. Hier gibt es Industrie, Werften und anderes handwerkliches und industrielles Gewerbe. Ganz normal, wie in anderen Städten auch. Nur unter den Bedingungen ausschließlicher Transportwege auf dem Wasser. Hier gibt es auch ein großes Krankenhaus, doch statt der gewohnten Krankentransportwagen eben Krankentransportboote und auch die Müllabfuhr geschieht per Boot. Im ersten Moment ein eigenartig befremdlicher Anblick. Und wo stellen die Venizianer eigentlich ihre Mülltonnen hin? Ich sah jedenfalls keine …
Burano und Murano habe ich mir etwas länger angeschaut. Burano fand ich besonders schön mit seine bunten Häuschen und den kleinen Kanälen. Ein Miniatur-Venedig, nur trotz der Touris viel, viel ruhiger.
Apropos Touris. Asiaten aller Länder, die inzwischen europaweit in regelrechten Starenschwärmen in den Hotspots einfallen, entdeckte ich, bis auf ein älteres Ehepaar, keine. Das bisher einzig wirklich positive, was ich an Corona fand. Claudia und ich waren einmal so einem Schwarm, vermutlich Han-Chinesen, auf unserer Frankreich-Tour 2018 in Arles ausgesetzt gewesen. Laut, rücksichts- und vollkommen distanzlos. Wir empfanden sie als regelrechte Plage! Ich habe längere Zeit in Südost-Asien gelebt. Ich mochte die Menschen dort sehr und brachte von dort damals ganz andere Eindrücke mit.
Wirklich sehenswert an Murano sind natürlich die Glasmanufakturen. Einige kann man während der Arbeit besichtigen und dann in den Ausstellungsräumen auch anschauen, was dort so geschaffen wird. Selbst als absoluter Laie habe ich die herausragende Kunstfertigkeit der Glasbläser von Murano nur bestaunen können. Grandiose Handwerkskunst, ja Kunst auf allerhöchstem Niveau! Murano war mir natürlich schon ein Begriff, aber in dieser überwältigenden Vielfalt zu sehen, was dort so geschaffen wird, verschlug mir glatt die Sprache.
Camping Molvena, Lago di Molvena, Italien
Am Tag darauf fuhr ich weiter. Als nächstes Ziel hatte ich mir am Abend den Lago di Molvena nördlich des Gardasees ausgesucht. Warum? Er sah einfach vielversprechend aus und es schien dort einen schönen C-Platz zu geben. Beides stellte sich dann als richtig heraus.
Vom Miramare ging es zunächst schier endlos über den Lido di Jesolo ins flache Land des Po. Weite Regionen schienen mir, als flüchtigem Betrachter von außen, seltsam unattraktiv zersiedelt. Das Gebirge rückte schließlich näher. Ich vermied Autobahnen, weil ich so bessere Landschaftseindrücke erhielt und ich hatte ja auch Zeit. Das letzte Stück zum Lago ging es dann über eine äußerst kurvige Bergstraße. Ein Eldorado für Motorradfahrer.
Der Platz in Molvena war tatsächlich schön. Dank der kleinen Maße meines Mini-Campers bekam ich einen richtig schönen Stellplatz direkt am See ganz am Rand des Platzes auf dem ich dann ruhige, sonnige Tage verbrachte und auch begann, dieses Logbuch zu schreiben. Es war einfach nur Urlaub bei bestem Wetter. Ich kochte leckere Sachen, probierte den Omnia weiter aus und war wunschlos glücklich. Natürlich hätte ich in manchen Momenten gerne Gesellschaft gehabt. Doch insgesamt reise ich inzwischen gern allein. Nach Jahren der Fremdbestimmung im Beruf genieße ich es, vollkommen mein Ding zu machen, auch keine Kompromisse bezüglich der Art meines Reisens und auf der Reise mehr zu machen. Mit zunehmendem Alter wird mir das immer wichtiger! Auch wenn die Zeit des Reisens mit Claudia einfach nur klasse war. Ich möchte sie nicht missen und bereue keinen Tag. Doch, „The Times They Are A-Changin‘ “ …
Bregenz, Österreich
Am 8. September ging es dann weiter nach Bregenz. Angelika und Joachim, alte, richtig gute Freunde, warteten dort auf mich. Inzwischen hatte ich mich recht gut eingelebt in meinem Schneckchen. Da sie aber das gute Stück unbedingt besichtigen wollten, war natürlich Klarschiff angesagt und morgens wurde auch das Bett abgebaut. Ja, ja, …
Für die Freunde hatte ich als kleine Aufmerksamkeiten Lübecker Niederegger Marzipan und Grappa aus dem Trient dabei. Eigentlich sollte es ja nur Marzipan sein. Aber am Lago hatte doch glatt eine sehr mutige, kleine Maus irgendwie den Weg in mein Auto geschafft und eine Packung angefressen. Eine ganz schön freche Maus, aber eine mit Geschmack! Ich konnte sie immer mal wieder auf ihren Raubzügen rund um ihr Buschversteck aus dem Augenwinkel beobachten, wenn sie wohl meinte, ich döse vor mich hin.
Ja, und wenn du Gott zum Lachen bringen willst, mach einen Plan …
50 km vor Bregenz schlug das Schicksal zu. Beim Überholen fiel plötzlich die Leistung des Caddys dramatisch ab und er ging in den Notlauf (wie ich später erfuhr). Das Glühwendelsymbol blinkte und ich konnte nur noch mit knapp über 90 km/h weiter zuckeln. Das Auto beschleunigte kaum noch und bergauf ging ihm die Puste aus. Bei Leutkirch/Allgäu bin ich dann erst mal runter von der Piste und habe den ADAC angerufen. Aufgrund meiner Schadensschilderung kamen die gleich mit einem Abschlepper.
Kennen sie Leutkirch? Bis dahin hatte ich nicht einmal gewußt, dass es existiert. Nun lernte ich es kennen.
Der Fahrer brachte mich dort zum großen VW-Autohaus Seitz und hatte auch eine pfiffige Idee. Ich könne doch einen Leihwagen nehmen und nach Bregenz zu meinen Freunden weiter fahren. Wäre doch besser als im Hotel in Leutkirch auf die Reparatur zu warten. Der Mann hatte ja so recht! Ihm sei hier noch einmal „Danke“ gesagt!
Ich mache hier wirklich keine Werbung, aber es lebe die ADAC Plus-Mitgliedschaft! Aber Auto oder Hotel gibt’s in so einem Fall für maximal 7 Tage und das entspannt schon einmal. Er machte auch alles klar. So kam ich, wenn auch ziemlich verspätet, doch noch zu meinen Freunden und da gab es natürlich viel zu ratschen.
Am nächsten Morgen in der Früh Anruf von der Werkstatt. Sie müssten jetzt schauen was ist, aber der Wagen könne wegen hoher Auslastung erst nächste Woche repariert werden. Na, prima! Hatte ich mich doch so sehr auf das Treffen mit den anderen Mini-Campern gefreut. Ich ließ wohl ziemlich die Ohren hängen aber Angelika und Joachim taten ihr Bestes um mich ein wenig aufzurichten und sagten gleich recht bestimmt: “Dann bleibst du natürlich solange bei uns. Nix da mit Hotel!“ Ehrlich gesagt fiel mir ein riesiger Stein vom Herzen. Welche Erleichterung in einer Sch…situation. Auch Dankbarkeit kann ein schönes, warmes Gefühl sein.
Am späten Vormittag zweiter Anruf von der Werkstatt. Es sei die Einspritzdüse des ersten Zylinders und sofern sich nicht weiteres ergäbe könnte die Reparatur doch noch vor dem Wochenende erfolgen. Ein Silberstreif am Horizont! Doch ich blieb skeptisch.
Am nächsten Tag wieder ein Anruf. Das Ersatzteil sei angekommen und würde eingebaut. Gegen 16.00 Uhr sei der Wagen fertig – sofern sich eben nicht noch etwas ergäbe. Nach dem anfänglichen Schock nun zunehmende Entspannung aber weiterhin auch noch eine gewisse Zweckskepsis. Aber es ergab sich nichts weiter. Mein Eindruck: Das Autohaus Seitz in Leutkirch/Allgäu hat sich redlich bemüht das Fahrzeug schnell wieder flott zu bekommen. Dabei wurde ich immer gut über den Stand der Dinge informiert. So wünscht man es sich.
Ich beschloss um 15.00 Uhr nach Leutkirch aufzubrechen, sollte ich bis dahin keine anders lautende Info erhalten. Dann wollte ich bis zu einem WoMo-Stellplatz in der Nähe des C-Platzes am Niemetal fahren und dort übernachten. Zur Frühstückszeit könnte ich dann bei meinen „Blind Dates“ aufschlagen. Und so geschah es schließlich auch.
Campingplatz „Am Niemetal“, bei Göttingen
Einige Mitglieder des HDK-Forums, darunter ich, hatten sich sehr lebhaft über alle möglichen Aspekte des Themas Mini-Camper ausgetauscht. Schließlich gab es die Idee, dass man sich doch mal treffen könnte. Wir einigten uns aufgrund persönlicher Expertise schnell auf den C-Platz Niemetal und so flogen dort fast alle zum Wochenende 10. – 12.09. ein. Ich halt erst mit etwas Verspätung am Samstag zum Frühstück.
Das Frühstück dauerte endlos und natürlich wurde auch mein Missgeschick ausführlich beratscht. Ausbauten anschauen, Tipps und Tricks, Equipment, Gott und die Welt – der Gesprächsstoff ging nie aus auf diesem schönen, einfachen, recht naturbelassenen Platz und alles in absolut entspannter Atmosphäre. Vier sich weitgehend unbekannte, recht unterschiedliche Menschen hatten sich spontan verabredet und eine richtig schöne Zeit miteinander. Abends Grillen und kleine Weinprobe bis die herabfallende Nachtkälte uns in unsere kuscheligen Mini-Homes trieb.
Am Sonntag dann wieder endloses Frühstück bis sich die drei anderen wieder auf den Heimweg machen mussten. Ich blieb allein zurück und noch bis Dienstag.
Campingplatz Neuerburg im Wiedtal
Ich fuhr recht spät im Niemetal ab. Hatte ich doch Zeit und deshalb in Google-Maps auch eine Route ohne Autobahn gewählt, sozusagen von Göttingen quer durch die Mittelgebirgslandschaft. Ein gute Entscheidung, denn die Route war größtenteils ausgesprochen schön, mit weiten Blicken in die Landschaft und teilweise hübschen Dörfern mit Fachwerkhäusern. Es lohnt durchaus, ab und zu einmal in Google-Maps die Option „ohne Autobahn“ zu wählen.
Der Platz in Niederbreitbach ist vergleichsweise einfach, aber mit sauberem Sanitär und vor allen traumhaften Stellplätzen direkt an der Wied. Ich wollte nur meine Ruhe und legte auf irgend welchen Zirkus keinen Wert. Ich war hier also genau richtig.
Da ich meinen Stellplatz recht nahe der – wenig befahrenen – Brücke zum Gelände über die Wied gewählt hatte, blieben etliche Leute stehen, um sich dieses seltsame Gefährt dort unten anzuschauen. Das Schneckchen übte eine gewisse Anziehungskraft, insbesondere auf ältere Camper aus. Freundliches Winken allenthalben. Ein Camper-Ehepaar in schon fortgeschrittenem Alter suchte mich sogar auf und wäre am liebsten mit dem Teil auf Tour gegangen. Ihre Augen leuchteten, als ich ihnen alles erklärte. Sie wollten alles genau wissen und ihr Fragen zeigten, dass sie von der Materie Ahnung hatten. Na ja, und ich erzählte und zeigte es ihnen natürlich zu gern und ausführlich … ähem …
Einige andere baten mich darum das Teil fotografieren zu dürfen. Ich hätte nicht gedacht, dass das Interesse an einem eigendlich so simplen Teil so groß sein könnte.
Auch ein besonderer Überraschungsbesuch tauchte auf: Werner Hohn, einstiges Urgestein im Outdoor-Forum. Er hatte wohl meine blauen Anbauten in meinem Blog gesehen und fragte nun ob ich es denn wäre. Dieser Platz hatte es wirklich in sich.
Als beste Überraschung meldete sich jedoch dann auch noch Christiane aus dem Hochdachkombiforum und wir verbrachten einen herrlichen, langen Ratschabend miteinander.
Ich blieb drei Nächte auf diesem schönen Fleckchen und schlief immer beim gurgelnden Rauschen des nahen Wehrs ein.
Königswinter bei Bonn
Für das folgende Wochenende war ich bei meinem Sohn, meiner Schwiegertochter und meiner Lieblingsenkeltochter in Königswinter angekündigt. Opa on Tour! Mit dem Besuch dort ging meine erste lange Reise im Schneckchen ihrem Ende entgegen. Am 19. September traf ich nach einem Monat Reise wieder in Lübeck ein.
Nachgedanken
Das war sie also, meine erste lange Reise in meinem Mini-Camper namens „Schneckchen“! Ich denke, wenn das Schicksal es zulässt werden es noch etliche weitere werden. Denn jetzt bin ich aus eigener Erfahrung endgültig davon überzeugt, dass es verdammt viel Spass macht, mit so einem Teil zu reisen.
Natürlich mussten und müssen sich etliche Dinge erst einspielen. Und einiges werde ich auch noch verbessern, verändern, hinzufügen oder auch entfernen. Aber das sind Kleinigkeiten und absolut nichts gegen den Vorteil, immer ein Tiny-Tiny House dabei zu haben. Ein Schneckenhaus, in dem ich mich schnell verkriechen, preiswert übernachten und sogar kochen kann. Dieses kleine, unauffällige und wendige Gefährt ermöglicht mir auch mit zunehmenden Alter und auch ohne riesiges Budget lange Reisen kreuz und quer durch Europa und Skandinavien. Reisen, die ich einfach gern noch machen möchte.
Schneckchen, du hast deinen „Maiden Run“ über rund 3.900 km mit Bravour absolviert!
Und das mit der Panne? Schwamm drüber. Solche Dinge passieren halt. Letztlich verlief alles, obschon nicht gerade billig, vergleichsweise glimpflich. Auch dank einer gewissen Vorsorge. Nochmals drei kräftige „Cheers!“ auf die ADAC-Plus Karte.